Stolz und Vorurteil

Sportvereine in den USA und Kanada legen nach jahrzehntelanger Kritik rassistische Namen ab. Die großen Probleme der indigenen Amerikaner werden damit nicht gelöst.

  • Ronny Blaschke
  • Lesedauer: 6 Min.

Die wichtigsten Sportteams der Universität von Illinois hatten mehr als acht Jahrzehnte einen Indianerhäuptling als Maskottchen. Mit Federschmuck und Gesichtsbemalung führten nichtindigene Studenten in den Halbzeitpausen Tanzrituale von Indigenen auf. Viele amerikanische Ureinwohner sahen darin eine beleidigende Vereinfachung ihrer jahrtausendealten Kultur. Erst nach langen Protesten und Verhandlungen gab die Universität 2007 das Maskottchen auf.

Doch der Streit ging weiter. Während der Spiele trugen etliche Zuschauer Kleidung mit dem alten Logo und besangen Häuptling »Chief Illiniwek«. Jenseits der Sportstätten pflegten viele Studierende stolz, trotzig und manchmal konspirativ die indianische Folklore. Eine indigene Studentin beschrieb daraufhin öffentlich ihre Selbstmordgedanken, sie fühlte sich täglich aufs Neue diskriminiert. So verhärtete sich der Konflikt, auch ohne offizielles Logo.

»Wenn man ein Maskottchen verbietet, bedeutet das nicht, dass sich die Einstellungen der Menschen über Nacht ändern«, sagt Lisa King, die sich an der Universität von Tennessee mit indigenen Kulturen beschäftigt. »Nach Jahrzehnten von Verletzungen und Ohnmachtsgefühlen hilft vor allem behutsame Kommunikation. Es geht hier nicht um tiefen Hass, sondern meist um Ignoranz. Man sollte aufeinander zu gehen.«

In den USA sind Menschen indigener Herkunft erst seit 1924 gesetzlich anerkannte Bürger, obwohl sie den Kontinent über Jahrtausende geprägt haben. Vielen der fünf Millionen Ureinwohner begegnet noch immer Feindseligkeit. Bei der Verbreitung von Klischees spielen Sportsymbole seit mehr als hundert Jahren eine bemerkenswerte Rolle. In Profiligen, Universitäten, Schulen: Hunderte Teams nannten sich »Indianer«, »Krieger« oder »Rote Männer«.

An diesem Sonntag begehen die Vereinten Nationen abermals den »Tag der indigenen Völker«. Ein Anlass, um den Sport einmal genau zu untersuchen. Seit der Bürgerrechtsbewegung in den 1960er Jahren formierten sich in den USA Proteste gegen solche Symbole. Von einst 2000 Logos wurden mit der Zeit zwei Drittel abgelegt, so der National Congress of American Indians. Die Universität von Miami machte aus den »Rothäuten« die »Roten Falken«, die Uni von North Dakota aus den »Kämpfenden Sioux« die »Kämpfenden Falken«. Auf Druck von Sponsoren kündigte zuletzt auch das American-Football-Team aus Washington die Aufgabe seines Namens »Redskins« an. Doch wieder geht eine Frage unter: Wächst mit der Verdrängung einer rassistischen Marke auch die Akzeptanz indigener Amerikaner?

Rebecca Nagle hat Zweifel. Die Aktivistin der indigenen Cherokee hat sich lange gegen den Namen »Redskins« starkgemacht, in Interviews, Demonstrationen und Kampagnen. »Die Klubs gehen nur auf indigene Menschen zu, wenn sie sich Profit für ihre Marke versprechen«, sagt Nagle. »An einer differenzierten Aufklärung sind sie selten interessiert.« Beispiel Tomahawk Chop: Ein Stadionritual bei Klubs in Florida, Atlanta oder Kansas City, bei dem Fans ihren Unterarm mit geöffneter Handfläche vor- und zurückbewegen. Sie simulieren eine Streitaxt und wollen kampfbereit wirken. »Dabei geht es um das Skalpieren, also um den Mord an Ureinwohnern einst. Rassistische Rituale wie der Tomahawk Chop prägen das Bild vieler Amerikaner von indigenen Menschen, denn unser Alltag wird in Medien selten dargestellt.«

Wenige Partnerschaften zwischen Sportorganisationen und Ureinwohnern in den USA gelten als gleichberechtigt und zeitgemäß. Die Teams der Central-Michigan-Universität zum Beispiel bezeichnen sich seit bald 80 Jahren als Chippewas, in Anlehnung an eine der größten indigenen Gemeinschaften. Unter Einbindung von Ureinwohnern trennte sich die Universität mit der Zeit von klischeehaften Symbolen und Stadionriten. Das aktuelle Logo ist ein stilisiertes C. Regelmäßig besuchen College-Athleten das Infozentrum der Chippewa für Diskussionen.

Einen solchen Austausch hätte sich auch der Aktivist Sundance in Cleveland gewünscht, wo das Baseballteam der »Indians« seit Jahrzehnten Kritik auf sich zieht und nun eine Umbenennung in Erwägung zieht. »Die meisten Amerikaner glauben, dass sie uns mit solchen Namen als Glücksbringer ehren«, sagt Sundance. »Aber unterbewusst lindern sie eher ihre Schuldgefühle wegen der kolonialen Verbrechen an den Ureinwohnern.« Seit Jahren demonstrierten Sundance und Mitstreiter am Stadion der »Indians« gegen deren Logo »Chief Wahoo«: die Karikatur eines indigenen Anführers mit roter Haut und übergroßen Zähnen. Die Proteste werden immer wieder gestört, oft von Trump-Anhängern.

Etliche Sportsymbole haben ihren Ursprung in einer Zeit, in der Behörden Ureinwohner noch in Reservaten festhielten, ihren Besitz beschlagnahmten und ihre Traditionen öffentlich untersagten. »Die Gesetze machen uns seit Jahrhunderten zu Bürgern zweiter Klasse«, erzählt Douglas Cardinal, ein Architekt indigener Herkunft aus dem kanadischen Ottawa. »Noch immer liegt die Mordrate an indigenen Frauen weit über dem Durchschnitt. Leider halten viele Leute dem Druck nicht stand, die Suizidrate unter Indigenen ist hoch.«

Douglas Cardinal findet, dass Aktivismus nicht ausreiche, es müssten sich auch Gesetze ändern. Und so beantragte Cardinal 2016 vor dem Spiel der Cleveland »Indians« in Toronto eine Einstweilige Verfügung. Er wollte nicht, dass in Kanada das Logo der »Indians« zu sehen ist. Der Antrag wurde abgelehnt. Doch vielleicht trug er dazu bei, dass der Verein seit 2019 auf »Chief Wahoo« verzichtet, offiziell. Tatsächlich sind alte Trikots, Mützen und Anfeuerungsrufe in Cleveland noch immer präsent. Der Klub erwägt inzwischen ebenfalls eine Namensänderung. Zu diesem Schritt hat sich vor Kurzem in Kanada bereits das Footballteam der Edmonton »Eskimos« entschlossen.

Für David Waldstein von der »New York Times« ist es bezeichnend, dass viele Klubs erst auf den Druck einflussreicher Sponsoren reagieren. »Teams wie Washington sagen, dass sie Ureinwohner ehren wollen. Tatsächlich geht es ihnen um den Verkauf von Lizenzen und Fanartikeln«, sagt der Reporter, der seit Jahren zum Thema recherchiert. »Namensänderungen sind nicht kompliziert. Die Klubs bringen regelmäßig neue Trikots auf den Markt, die Fans sind an Wechsel gewöhnt.«

Wie kann man Fans dazu bringen, dass sie im Hinterfragen von Identifikationssymbolen keinen Verlust, sondern einen Gewinn sehen? Eine Möglichkeit bietet die aktuelle Ausstellung des National Museum of the American Indian in Washington. Darin wird nachgezeichnet, wie Traditionen der Ureinwohner für eine »amerikanische« Identität umgedeutet wurden, für Filme, Werbeanzeigen, Profisport, auch für die »Redskins«.

»Wir sollten Footballfans aus Washington nicht pauschal als Feinde betrachten, das würde eine Diskussion unmöglich machen«, sagt der Kurator Paul Chaat Smith. Auch er hat Verwandte und Bekannte mit Sympathien für Donald Trump, die sich nicht stören am Vereinsnamen »Redskins«. Er sagt: »Es kostet Kraft, um die lange Linie aus der Vergangenheit zu ziehen - von Landraub und Genozid bis hin zur Gegenwart. Aber der Sport sollte sich diese Zeit nehmen.«

Dabei kommt es auf Details an. In Kansas bezeichnen sich Sportler der Haskell Indian Nations University, einer der wenigen Hochschulen ausschließlich für Studierende indigener Herkunft, als »Kämpfende Indianer«; ihr Logo zeigt einen Häuptling mit Federschmuck. »Wenn sich indigene Sportler in Reservaten als Krieger bezeichnen, ist das kein Rassismus«, sagt die Forscherin Lisa King. »Damit gestalten und kontrollieren sie ihr eigenes Bild. Sie haben das Recht, sich selbst zu repräsentieren.«

Eine breite Öffentlichkeit erreicht dieses Thema in den USA selten, auch weil sich in den Profiligen wenige bekannte Sportler dazu äußern. Einer von ihnen: Ryan Helsley, Mitglied der indigenen Cherokee. Der Baseballspieler der St. Louis Cardinals bezeichnete 2019 den Tomahawk Chop als »respektlos«. Die Solidarität seiner Kollegen? Hielt sich in Grenzen.

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