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Zurück zu den »Todesschichten«

Gewerkschafter Igor Kareld Díaz aus Kolumbien über Sozialabbaupläne in Lateinamerikas größer Kohlemine

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 3 Min.

Cerrejón, die größte Kohlemine Lateinamerikas, leidet seit einigen Jahren unter rückläufiger Nachfrage deutscher, schwedischer und auch niederländischer Energiekonzerne. Das Management möchte die Probleme auf die Belegschaft abwälzen und hat nun ein Konzept vorgelegt. Was halten Sie von diesem?

Das ist unannehmbar, denn der Konzern will tarifvertragliche Erfolge über den Haufen werfen. Der kostenlose Transport zum Heimatort und Zuschüsse zur Gesundheitsversorgung sollen gestrichen werden. Auch soll das Schichtmodell geändert werden.

Wie soll künftig gearbeitet werden, wenn es nach dem Willen des Unternehmens geht?

Derzeit arbeitet die Belegschaft im Monat 15 Tage à 12 Stunden - eine Regelung, die schon seit 30 Jahren besteht. Das Unternehmen will jetzt auf sieben Arbeitstage und drei freie Tage umstellen. Damit wären es 21 Tage à 12 Stunden, wodurch Belastung und Unfallgefahr massiv zunehmen würden. Außerdem wäre eine komplette Schicht mit 1250 Arbeitern obsolet. Sie soll auf dem Rücken der restlichen Belegschaft eingespart werden. Dagegen wehren wir uns.

Warum wird das Schichtmodell überhaupt zur Disposition gestellt?

Das fragen wir uns auch. Wir haben das Schichtmodell, nach dem wir bisher arbeiten, erkämpft, es seinerzeit auch wegen der hohen Unfallzahlen durchgesetzt. Zuvor sprachen wir immer von »Todesschichten«. Dies soll geändert werden, ohne die Gewerkschaft, die etwa zwei Drittel der 6000 fest angestellten Kumpel vertritt, und auch die Vertreter der rund 6000 Leiharbeiter zu fragen.

Ist es nicht ein Verstoß gegen den Tarifvertrag, das Schichtmodell ohne Verhandlung mit Sintracarbón zu ändern?

Für uns definitiv, aber das ist ein Fall für die Anwälte. Die werden auch belegen, dass das Schichtmodell über Jahre funktionierte und gleichzeitig Gewinne erwirtschaftet wurden.

Allerdings gehen die Gewinne jetzt zurück, und es wird weniger Kohle geordert. Steht das Unternehmen unter Druck?

Ja, Cerrejón steht unter Druck und will künftig die gleiche Menge Kohle mit deutlich weniger Personal fördern. Die Arbeitsbedingungen sollen nachhaltig verschlechtert werden. Deswegen werden wir streiken, das zeichnet sich bereits ab.

Das Unternehmen bekennt sich offiziell zu einem »verantwortungsvollen Bergbau«. Was ist davon zu halten?

Der Minenbetreiber verhält sich sehr widersprüchlich gegenüber uns Arbeitern, aber auch gegenüber den Gerichten, die nach Klagen von Anwohnern Umweltauflagen erteilt hatten. Diese werden immer noch nicht erfüllt: So wird der Fluss Río Ranchería weiter kontaminiert. Auch an den Plänen zur Umleitung des Río Bruno hält man fest.

Produziert die Mine Cerrejón nach der coronabedingten Schließung derzeit wieder mit voller Kapazität?

Der Bergbau gehört, so hat es die Regierung verfügt, zu den notwendigen ökonomischen Tätigkeiten. Deshalb dauerte der Lockdown hier nur bis Anfang Mai. Aktuell produzieren wir mit 80 Prozent der Kapazitäten. Das birgt Risiken, denn bis heute sind mehr als 140 infizierte Arbeiter registriert worden.

Wie wirkt sich Europas sinkende Nachfrage nach Kohle aus?

Das macht uns natürlich Sorgen, denn die Energiewende hin zu mehr Wind- und Solarenergie dämpft die Nachfrage nach kolumbianischer Kohle. Innerhalb der Gewerkschaft sind alternative Wind- und Solarprojekte in der Region der Guajira durchaus ein Thema. Allerdings lässt sich mit der Konzernführung nicht über einen Umbau des Unternehmens diskutieren - die haben nur Kohle im Kopf.

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