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Gratulation aus Moskau und Peking
Der belarussische Präsident Lukaschenko erhält nach Wahl Glückwunsche aus China und Russland - die Reaktionen aus Kiew sind derweil verhalten
Am Montagmorgen gratulierte der russische Präsident Wladimir Putin seinem belarussischen Kollegen Alexander Lukaschenko zum Sieg bei den Präsidentschaftswahlen. Auch aus China und Kasachstan trafen Glückwünsche ein, während die Reaktionen beispielsweise aus der Kiew verhalten ausfielen. Lukaschenkos sechste Amtszeit steht bevor. Obwohl er nach vorläufigen offiziellen Ergebnissen 80 Prozent der Stimmen erhielt, hat er viel Rückhalt in der Bevölkerung eingebüßt. Besser gesagt: Dieser »haushohe Sieg« trägt zum Schwinden seiner einstigen Popularität bei.
Verifizieren lässt sich die Zahl nämlich nicht, da die Möglichkeiten zur Wahlbeobachtung enorm eingeschränkt waren. Und selbst der brutale Einsatz von Polizeikräften und Armee löste bislang bei Protestierenden weniger Angst als Entschlossenheit aus, wieder auf die Straße zu gehen.
Am späten Sonntagabend glich das Stadtzentrum von Minsk stellenweise einem Schlachtfeld. Zehntausende Anhängerinnen und Anhänger der oppositionellen Alternativkandidatin Swetlana Tichanowskaja fanden sich dort ein, um lautstark ihre Kritik an Lukaschenkos erklärtem Wahlsieg zu üben. Das mobile Internet war blockiert, der öffentliche Nahverkehr lahmgelegt, auch Taxis fuhren nicht mehr. An einigen Stellen entstanden Barrikaden, die Polizei versuchte die widerständige Menge in kleinere Gruppen zu zerschlagen. Anstatt zurückzuweichen, gingen Protestierende teilweise auf uniformierte und behelmte Einsatzkräfte los. Auf einem Video ist zu sehen, wie ein Gefangenentransporter gezielt in eine Menschenmenge rast. Blendgranaten sorgten für ohrenbetäubenden Lärm, zudem ging die Polizei mit Gummigeschossen gegen die Versammelten vor. Es gab zum Teil schwer Verletzte.
Im ganzen Land fanden Proteste statt. Nach Angaben des Innenministeriums wurden mindestens 3000 Menschen festgenommen. Da sich die Sicherheitskräfte in der Hauptstadt konzentrierten, übten sich die wenigen, an kleineren Orten verbliebenen, Sicherheitskräfte teilweise in Zurückhaltung. So auch in der im Südosten von Belarus gelegenen Stadt Schlobin. Dort traten Arbeiter eines metallverarbeitenden Betriebs am Montag als Zeichen ihrer Ablehnung der Wahlergebnisse in den Streik.
Swetlana Tichanowskaja rief bewusst nicht zu Protesten auf, da sie in solch einem Falle mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnet. Ihre Niederlage auf dem Papier erkennt sie nicht an. Ihr Stab verwies auf Informationen aus einigen Wahllokalen, wonach ihr zwischen 70 und 90 Prozent der Stimmen zufielen und nicht knapp zehn Prozent, wie die zentrale Wahlkommission verlauten ließ. Exit-Poll-Umfragen lassen durchaus den Schluss zu, dass Tichanowskaja unter Umständen sogar die Wahlen gewonnen haben könnte. Da jedoch nur staatliche Stellen über die erforderliche Lizenz dafür verfügen und unabhängige Befragungen nicht unter transparenten Bedingungen durchgeführt werden können, kann sich auch die Opposition nicht auf verlässliche Zahlen stützen.
Aber die kolossale Unterstützung ihrer Wahlkampagne in den vergangenen Wochen spricht Bände. Offensichtlich bewährte sich die Strategie, mit einem breiten Bündnis, das die Wahlstäbe der nichtzugelassenen aussichtsreichsten Kandidaten Viktor Babariko und Walerij Zepkalo mit Tichanowskaja verband, inhaltliche Differenzen zurückzustellen. Aber Lukaschenko hat die wachsende Kritik an seinem Führungsstil letztlich selbst zu verantworten. Denn die Proteste müssen auch als Folge der von Staats wegen betriebenen Prekarisierung der Beschäftigungsverhältnisse betrachtet werden. Dass Babariko und Zepkalo für eine ähnliche Politik stehen, also für Deregulierung, aber mit mehr politischen und ökonomischen Freiräumen, zählt zu den schwer auszuhaltenden Widersprüchen.
Der Druck von der Straße wird kaum ausreichen, um Lukaschenko zu einem Rücktritt zu bewegen. Doch sein Handlungsradius verringert sich sowohl außenpolitisch als auch innerhalb des Systems. Der Kreml wird für seine Unterstützung Forderungen stellen, während das belarussische Establishment mit dem Bankier Babariko und dem ehemaligen Weggefährten Lukaschenkos Zepkalo jetzt schon Mitspracherecht einfordert.
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