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Kamala Harris wird Bidens Vize

Senatorin aus Kalifornien war selbst in der Demokratenvorwahl angetreten

  • Lesedauer: 7 Min.

Washington. Mit Kamala Harris könnte erstmals eine schwarze Frau Vize-Präsidentin der Vereinigten Staaten werden. Der designierte Trump-Herausforderer der US-Demokraten, Joe Biden, verkündete die Senatorin aus Kalifornien am Dienstag als seinen »running mate« (Vizepräsidentschaftskandidatin) für die US-Präsidentschaftswahlen im November. Der erste gemeinsame Auftritt der beiden soll schon am Mittwochnachmittag in Wilmington (Delaware) folgen.

Auf Twitter bezeichnete die 55-jährige Harris es als »Ehre«, mit Biden antreten zu dürfen. Sie werde alles dafür tun, um ihn zum Oberbefehlshaber zu machen. »Joe Biden kann das amerikanische Volk einen, weil er sein Leben damit verbracht hat, für uns zu kämpfen. Und als Präsident wird er ein Amerika aufbauen, das unseren Idealen gerecht wird«.

Zuvor hatte Biden Harris als seine Wahl für den Posten der Vize-Präsidentin verkündet. »Ich habe die große Ehre, bekanntzugeben, dass ich Kamala Harris - eine furchtlose Kämpferin für die einfachen Menschen und eine der besten öffentlichen Bediensteten des Landes - als meinen Running Mate ausgewählt habe.« Beide sollen beim offiziellen Parteitag der Demokraten vom 17. bis 20. August nominiert werden. Wegen der Corona-Pandemie findet das Treffen weitgehend digital statt.

Der 77-jährige Biden hatte bereits Mitte März angekündigt, im Fall eines Wahlsiegs eine Frau zur Vizepräsidentin zu machen. Infolge der landesweiten Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz Ende Mai in Minneapolis war der Druck auf ihn gewachsen, eine nicht-weiße Frau aus der Liste der potenziellen Kandidatinnen zu wählen. Harris galt als Favoritin.

Als Tochter von Einwanderern aus Jamaika und Indien steht Harris für die Vielfalt der demokratischen Partei. Die 55-Jährige ist die zweite Schwarze Frau in der Geschichte, die in den US-Senat gewählt wurde. Sie gehört zu den bekanntesten schwarzen Politikerinnen des Landes. Harris wollte Trump im November den Präsidentenposten eigentlich selbst streitig machen und hatte versprochen, das Land wieder einen zu wollen. Zu Beginn galt sie als chancenreiche Kandidatin. Ihre Kampagne konnte den anfänglichen Schwung aber nicht aufrecht erhalten. Auch weil sie weniger Unterstützung von schwarzen Wählern bekam als erwartet.

Ihre Beziehung zu Biden gilt als gut, auch wenn die beiden im Präsidentschaftsrennen einige Male aneinander gerieten. Harris kritisierte Biden letzten Sommer für seine Kritik am »Busing« in den 1970er Jahren - eine Maßnahme, die dazu beitragen sollte, die Trennung von Schwarzen und Weißen aufzuheben. Kinder wurden dafür mit Bussen zu Schulen in anderen Bezirken gefahren. Harris - die erst die zweite schwarze Senatorin in der Geschichte der USA ist - verknüpfte dies mit ihrer eigenen Biografie und sagte einen Satz, der vielen in Erinnerung blieb: »Das kleine Mädchen war ich.«

Die Angriffe während des Präsidentschaftsrennens scheint Biden Harris nicht nachzutragen - obwohl nicht bekannt ist, ob Harris sich dafür entschuldigt hat. Am Ende entschied er sich mit ihr für die Kandidatin, die seit langem als die sichere Wahl gilt.

Als Generalstaatsanwältin habe sie eng mit Bidens Sohn Beau zusammengearbeitet, zusammen hätten sie es mit den großen Banken aufgenommen, die arbeitende Bevölkerung unterstützt und Frauen und Kinder vor Missbrauch geschützt, erklärte Biden. »Ich war damals stolz und ich bin jetzt stolz, sie als meine Partnerin in dieser Kampagne zu haben.«

Ex-Präsident Barack Obama - dessen Vize noch Joe Biden war - schrieb: »Das ist ein guter Tag für unser Land. Jetzt lass uns das Ding gewinnen.« Die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton würdigte Harris »als unglaubliche Beamtin und Anführerin«. Susan Rice, die auch als aussichtsreiche Kandidatin für den Posten gehandelt wurde, übermittelte ihre »wärmsten Glückwünsche« und nannte Harris »eine hartnäckige und wegweisende Anführerin, die eine großartige Partnerin auf dem Kampagnenweg sein wird«.

Von US-Präsident Donald Trump kam am Dienstag direkt die erste Breitseite: »Sie hat gelogen. Sie hat Dinge gesagt, die nicht wahr waren«, sagte er, ohne genauer darauf einzugehen. Harris wolle die Steuern erhöhen, die Militärausgaben senken und sei gegen die Erdgas-Förderung per Fracking, zählte er auf. Das alles sind Ansichten, mit denen Trump versuchen könnte, seine republikanische Kern-Wählerschaft gegen Harris zu mobilisieren.

Trump ergänzte, Harris sei im Vorwahlkampf »bösartig« über Biden hergezogen. Sein Vizepräsident Mike Pence gefalle ihm viel besser. Trumps Wahlkampfteam griff Harris in einem kurzen Video zudem als »Schwindlerin« an. »Phony Kamala Harris« sei extrem nach links gerückt, um die Gunst der Wähler zu gewinnen - diese hätten sie jedoch durchschaut.

Es ist fraglich, wie erfolgreich diese Attacken sein werden. Im Vergleich bietet die 55-Jährige deutlich weniger Angriffsfläche als andere Frauen, die als Bidens »Running Mate« infrage kamen. Sie ist kein Gesicht der Obama-Regierung wie die frühere Nationale Sicherheitsberaterin Susan Rice, gegen die sich die Republikaner zuletzt bereits mit alten Vorwürfen in Stellung gebracht hatten. Sie hat sich nicht sozial auf Kuba engagiert wie die Kongressabgeordnete Karen Bass, der Trumps Wahlkampfteam vorwarf, Castros Kommunismus nach Amerika zu bringen.

Neben der Wahl und der Corona-Pandemie gibt es ein weiteres Thema, das die Gemüter der US-Amerikaner in diesem Jahr seit dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz bewegt und die öffentliche Debatte prägt: der Kampf gegen Rassismus und Polizeigewalt. »Rassengerechtigkeit steht 2020 zur Abstimmung«, sagte Harris schon, als sie im März ihre Unterstützung für Bidens Kandidatur bekanntgab. Eine Überwindung des strukturellen Rassismus hält Harris für möglich.

Die Klarheit, die ihr als Präsidentschaftsanwärterin bisweilen fehlte, erlangte sie zuletzt zurück: In der Corona-Krise weist sie immer wieder darauf hin, dass Minderheiten wie Afroamerikaner stärker von der Krise betroffen sind. Zudem arbeitete sie entscheidend an der Polizeireform der Demokraten im Kongress mit und tat sich als starke Stimme gegen polizeiliches Fehlverhalten hervor.

Was Harris' Gegner allerdings - wie bereits im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur - weiterhin vorwerfen dürften: Dass ihre Versprechen nach Reformen eines »kaputten« Strafjustizsystems nicht im Einklang mit ihrer Karriere in der Justiz stehen. Kritiker beschuldigen sie, in Kalifornien in mehreren Fällen dafür gesorgt zu haben, dass Fehlurteile trotz eindeutiger Beweise in Kraft blieben. Zudem setzte sie sich als Justizministerin für Exekutionen ein - trotz ihrer erklärten persönlichen Opposition gegen die Todesstrafe. Harris war die erste Schwarze, die in San Francisco als Bezirksstaatsanwältin gewählt wurde und als erste Frau und Schwarze im Amt der Justizministerin in Kalifornien.

Als Mitglied in vier Senatsausschüssen bewies Harris aber immer wieder, dass sie eine pragmatische Problemlöserin und eine hartnäckige, herausfordernde Fragestellerin sein kann. So etwa im Bestätigungsprozess von Trumps Kandidaten für das Oberste Gericht der USA, Brett Kavanaugh. Die Nominierung hatte eine Kontroverse ausgelöst, nachdem mehrere Frauen ihn sexueller Übergriffe beschuldigt hatten. Trump nennt Harris' damaliges Vorgehen am Dienstag »bösartig«.

Bidens Entscheidung war mit Spannung erwartet worden, weil sie auch entscheidend für die Zukunft des Landes sein könnte. Bei Amtsantritt wäre Biden 78 Jahre alt. Es wird gemutmaßt, dass er nur eine Amtszeit lang regieren könnte, sollte er die Wahl am 3. November gewinnen. Biden selber hat sich als »Brücke« bezeichnet. Als Vizepräsidentin könnte sich Harris an seiner Seite profilieren, um dann später sein Erbe anzutreten.

Biden liegt in Umfragen derzeit deutlich vor Trump. Wegen des komplizierten Wahlsystems sind diese Prognosen allerdings mit Vorsicht zu genießen. Zudem kann in den USA in den verbleibenden Wochen bis zur Wahl erfahrungsgemäß viel passieren.

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Die Corona-Pandemie hat den Wahlkampf komplett auf den Kopf gestellt. Negativ wirkte sich das auf Bidens Kampagne bislang nicht aus. Trotz Trumps fast täglicher Auftritte blieb Biden seit der Zuspitzung der Krise zumeist zuhause in seinem Haus im Bundesstaat Delaware, ging zuletzt aber immer öfter in die Offensive. So stellte er einen Investitionsplan und seine Absichten im Kampf gegen den Klimawandel vor. dpa/nd

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