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Leinen los für die »Sea-Watch 4«
Das erste kirchliche Seenotrettungsschiff sticht in See, um Geflüchteten im Mittelmeer beizustehen
Am Wochenende hieß es endlich: Leinen los für die »Sea-Watch 4«! Eigentlich sollte das Schiff schon im April im spanischen Hafen Burriana auslaufen, aber wegen der Corona-Pandemie verzögerte sich der Ablauf um einige Monate. »Es ist allerhöchste Zeit, dass wieder ein Schiff in See sticht«, sagt Chris Grodotzki vom Verein »Sea-Watch«. Denn das mit überwiegend kirchlichen Geldern finanzierte Boot ist gegenwärtig allein auf der Mission ziviler Seenotrettung im Mittelmeer. Schiffe anderer Organisationen werden in italienischen Häfen festgehalten.
Ziel der »Sea-Watch 4« ist das libysche Küstengebiet. Libyen gilt als ein Knotenpunkt für die Route, über die Menschen vom afrikanischen Kontinent vor allem aus Bürgerkriegsgebieten fliehen. Immer wieder ertrinken Geflüchtete auf ihrer gefährlichen Reise im Mittelmeer. Einzig Schiffe der von der EU unterstützten libyschen »Küstenwache« sind auf dem Gewässer unterwegs und bringen die Menschen zurück nach Libyen, um sie vom Erreichen des europäischen Festlandes abzuhalten. Die »Küstenwache« ist für ihre gewalttätigen Aktionen bekannt.
Mit einer 29-köpfigen Crew ist die »Sea-Watch 4« nun auf dem Weg, um Geflüchtete aus Seenot zu retten. Neben dem Verein »Sea-Watch« unterstützt »Ärzte ohne Grenzen« die Mission mit medizinischem Personal. Auch zwei Journalisten reisen mit. Die Idee zu einem von evangelischen Christen finanzierten Rettungsschiff war im Sommer 2019 auf dem Evangelischen Kirchentag in Dortmund entstanden. Gemeinsam mit »Sea-Watch« gründete die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) daraufhin das Bündnis »United4Rescue«. Schnell wurde das Vorhaben in die Tat umgesetzt: Auf eine große Petition 2019 folgte das Sammeln von Spendengeldern. Im Januar wurde das ehemalige Forschungsschiff »Poseidon« ersteigert. Die Kosten in Höhe von 1,3 Millionen Euro kamen überwiegend aus Spenden zusammen. Das Boot wurde im Februar auf den Namen »Sea-Watch 4« umgetauft und von der Crew zum Auslaufen ins Mittelmeer bereit gemacht.
Bei dem Bündnis »United4Rescue« handelt es sich jedoch längst nicht nur um eines kirchlicher Institutionen, auch wenn sie den Großteil der Finanzierung übernahmen. Mehr als 550 Vereine, Organisationen und Unternehmen engagieren sich in dem Zusammenschluss gegen die europäische Politik der Abschottung, teilte das Bündnis in einer gemeinsamen Erklärung mit. Sie wollen über zivile Seenotrettung vor allem da Unterstützung leisten, wo der Staat versagt. Chris Grodotzky sieht ein Zeichen darin, dass die ›Sea-Watch 4‹ gerade jetzt, da alle anderen zivilen Seenotrettungsschiffe festgesetzt sind, auf so breiter Basis unterstützt wird. »Sie ist nicht nur das Schiff einer einzelnen Organisation, sondern verkörpert das breite Bündnis an Menschen, das hinter der Arbeit steht, die wir hier machen.«
Auf der mehrtägigen Überfahrt ins Suchgebiet vor der libyschen Küste werde die Crew verschiedenste Einsatzszenarien durchspielen und sich weiter mit den umfassenden Corona-Präventionsmaßnahmen an Bord vertraut machen, wurde mitgeteilt. Dass andere Schiffe ziviler Seenotrettung momentan in italienischen Häfen festgehalten werden, kritisiert »Sea-Watch« als einen »humanitären Skandal« und komplettes Versagen der EU. Denn allein in den letzten zwei Wochen seien mit zivilen Aufklärungsflugzeugen mehr als 2100 Personen in Seenot dokumentiert worden, an deren Rettung die Organisationen gehindert worden seien. Seit mehr als sechs Wochen seien keine zivilen Rettungskräfte mehr vor der libyschen Küste im Einsatz.
Grodotzki ist entrüstet: »Die Begründungen, unter denen die Boote in Italien festgehalten werden, sind komplett absurd.« So sei als technischer Mangel bei der »Sea-Watch 3« aufgeführt worden, dass sich zu viele Rettungswesten an Bord befänden.
Mit ähnlich vorgeschobenen Gründen wurden auch andere Schiffe festgesetzt. So klagte die Organisation »Sea-Eye e.V.«, deren Rettungsschiff »Alan Kurdi« Anfang Mai mit fadenscheinigen Begründungen von den italienischen Behörden festgesetzt wurde, gegen diese unverhältnismäßige Behandlung der Rettungsorganisationen. »Der Festsetzungsbescheid der italienischen Verkehrsbehörde ist unserer Meinung nach rechtswidrig und schafft juristische Unsicherheiten, die weitere Einsätze der ›Alan Kurdi‹ verhindern sollen. Seenotrettung ist eine völkerrechtliche Verpflichtung«, erklärte Gorden Isler, Vorsitzender des Vereins.
Für die »Sea-Watch 4« zeigt sich Chris Grodotzki vorerst optimistisch. Doch gleichzeitig mache man sich schon jetzt Sorgen, was beim ersten Anlegen des Bootes passieren werde. »Egal, wie gut in Schuss das Schiff ist – wir sind sicher, dass sich Italien etwas aus den Fingern saugen wird, um uns auch festzusetzen.«
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, erteilte der Mission beim Auslaufen per Videobotschaft einen Segen. Im Fernsehen äußerte er sich dankbar, dass das Schiff endlich ausgelaufen sei. »Es sterben täglich Menschen im Mittelmeer, und kein Rettungsschiff ist da, das sie rettet.« Es sei skandalös, dass die EU seit Jahren zuschaue, wie an den Grenzen Europas Menschen ertrinken.
Unter dem Motto »Gebt die Schiffe frei« protestierten am Sonnabend in Hamburg mehrere Hundert Menschen bei einer Aktion des Bündnisses Seebrücke gegen die Behinderung der Seenotretter. Fünf der festgesetzten Schiffe haben Hamburg als Heimathafen. Mit Agenturen
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