Güterverkehr geht auch leiser

Warentransport auf Schienen ist ökologisch sinnvoll. Das Forum leise Bahnen fordert dabei weniger Lärm.

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.

Man mag es kaum glauben, aber wenigstens in einem Problemfeld des Schienenverkehrs gibt es positive Nachrichten. Die Lärmbelästigung, besonders durch Güterzüge, konnte in den vergangenen Jahren deutlich reduziert werden. Das gelang vor allem durch die Umrüstung der Züge auf sogenannte Flüsterbremsen, die am Ende dieses Jahres abgeschlossen sein wird. Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember tritt auch eine gesetzliche Regelung in Kraft, mit der laute Güterwagen aus dem gesamten deutschen Netz verbannt werden. Dies sei ein »Erfolg des Zusammenspiels der Branche, der Politik und des bürgerschaftlichen Engagements gegen den Lärm«, so Dirk Flege, Geschäftsführer des Lobbyverbandes »Allianz Pro Schiene«. Jetzt dürfe man sich allerdings nicht »selbstzufrieden zurücklehnen«. Vielmehr müssten weitere ambitionierte Ziele zur Lärmreduzierung gesteckt und umgesetzt werden.

Vorgestellt wurde dazu am Montag ein Arbeitspapier des von der Allianz initiierten Forum leise Bahnen, das auch vom Bundesumweltministerium und vom Umweltbundesamt (UBA) unterstützt wird. Denn Lärmbelästigung sei »die ökologische Achillesferse des Schienenverkehrs«, so René Weinardy, der beim UBA für den Fachbereich Lärmminderung im Verkehr zuständig ist. Dabei gehe es nicht mehr um einen »großen Wurf«, wie die Umrüstung der Bremsanlagen, mit der die physikalisch messbare Lärmbelästigung um durchschnittlich rund 10 Dezibel gesenkt werden konnte, was »gefühlt« einer Reduzierung um 50 Prozent entspricht. Vielmehr gehe es um ein Bündel von Einzelmaßnahmen. Dies betreffe sowohl die Fahrzeugtechnik als auch die Lärmabschirmung an besonders belasteten Trassen und die Verkehrsplanung. Als Handlungsfelder werden in dem Papier unter anderem der Ausbau der digitalen Fahrassistenzsysteme, die weitere Elektrifizierung von Gütertrassen und Fuhrpark sowie die Intensivierung der Forschung in den Bereichen alternative Antriebe und Werkstoffe benannt. Zudem soll netzweit geprüft werden, ob der Nachtverkehr auf besonders belasteten Trassen teilweise auf Alternativrouten umgeleitet werden kann. Als Anreizsystem könnten dafür auch anhand der Lärmbelastung gestaffelte Trassenpreise umgesetzt werden.

Von der Deutschen Bahn, die am Montag mit der Gewerkschaft EVG Verhandlungen um Einsparungen beim Personal begann, wird erwartet, dass ihre für die Infrastruktur zuständige Tochter DB Netz künftig mehr auf »präventives Schienenschleifen« setzt und mit der Instandhaltung maroder Schienen nicht mehr bis zum letztmöglichen Zeitpunkt wartet. Denn marode Schienen erhöhen den Verschleiß der Räder und Bremsen, was dann wiederum zu einem höheren Lärmpegel führt. Als weitere Minderungspotenziale werden die noch in der Erprobung befindlichen digitalen Kupplungssysteme für den Güterverkehr sowie geräuscharme Maschinen bei Infrastrukturarbeiten benannt. Allerdings sollten sich Politik und Branche hüten, die illusorische Vorstellung zu verbreiten, dass Lärmbelästigung durch Schienen vollständig überwunden werden könne, mahnte Weinardy. Die weitere Verlagerung von Gütertransporten von der Straße auf die Schiene sei umweltpolitisch alternativlos. Zwar könnten noch viele Minderungspotenziale erschlossen und ausgeschöpft werden, aber gewisse Beeinträchtigungen durch Schienenverkehr seien unvermeidbar.

Auf EU-Ebene sieht die Allianz, der neben Verkehrs- und Industrieunternehmen auch die Bahngewerkschaften, Umwelt- und Verkehrsverbände angehören, Deutschland recht gut aufgestellt. Aber bei der weiteren Ausgestaltung der europäischen Lärmschutzrichtlinien müsse Deutschland eine aktive Führungsrolle einnehmen, forderte Flege. In einigen EU-Mitgliedsstaaten fehle es da noch an »Problembewusstsein«. Weitere Schritte müssten in einem neuen Lärmminderungsgesetz für das Jahr 2030 verankert werden. Dabei soll unter anderem auch festgehalten werden, dass die Zahl der von Schienenlärm betroffenen Personen um 20 Prozent gesenkt wird.

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