Demokraten küren Biden offiziell zu Trumps Herausforderer

Ex-Präsident Clinton wirbt für frisch gewählten Präsidentschaftskandidaten der Demokraten

  • Lesedauer: 4 Min.

Milwaukee. Der frühere US-Vizepräsident Joe Biden ist offiziell der Herausforderer von Präsident Donald Trump bei der Wahl am 3. November. Die oppositionellen Demokraten kürten den 77-Jährigen am Dienstagabend (Ortszeit) bei ihrem virtuellen Parteitag zum Präsidentschaftskandidaten. Während die früheren Präsidenten Jimmy Carter und Bill Clinton für Biden warben, hielt dessen Ehefrau Jill eine sehr persönliche und bewegende Rede.

Joseph R. Biden hatte sich im Vorwahlrennen der Demokraten durchgesetzt und stand seit April als Präsidentschaftskandidat der Partei fest. Beim wegen der Corona-Pandemie weitestgehend virtuell abgehaltenen Parteitag wurde er nun offiziell von den Delegierten mit großer Mehrheit zum Kandidaten gewählt. Zwar stand der linke Senator Bernie Sanders ebenfalls zur Wahl; Bidens Sieg galt aber als reine Formsache.

Der 77-Jährige dankte den Delegierten in einer Video-Live-Schalte »von tiefstem Herzen«. »Das bedeutet mir und meiner Familie alles.« Der langjährige Senator wird am Donnerstag zum Abschluss des Parteitags von seinem Heimatstaat Delaware aus seine Nominierungsrede halten.

Bei der Abstimmung schalteten die Demokraten per Video in alle 57 Bundesstaaten und Territorien der USA. Beim sogenannten Roll Call wurde dann verkündet, wie viele Delegiertenstimmen an Biden und wie viele an Sanders gehen. Der Roll Call nahm die Zuschauer von der Edmund Pettus Bridge in Alabama, auf der der kürzlich verstorbene Bürgerrechtler John Lewis in den 60er Jahren niedergeprügelt wurde, über die Felder von Kansas mit bis nach Las Vegas und an den Strand von Hawaii. Für New York sprach die Krankenschwester Scheena Iyande Tannis, die von ihren Erfahrungen in der Corona-Pandemie erzählte. Am Ende sagte sie voller Enthusiasmus, es sei Zeit für Biden: »It's Joe Time« - Showtime für Joe Biden.

Der Mitte-Politiker Biden ist nach seinem Vorwahlerfolg auf das linke Parteilager zugegangen und hat Vorschläge des progressiven Flügels übernommen, ohne grundsätzlich von seinem moderaten Kurs abzuweichen.

Der in Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin organisierte Demokraten-Parteitag mit dem Motto »Amerika vereinen« wird wegen der Corona-Pandemie weitgehend online abgehalten. Weder die Parteitagsdelegierten noch die zahlreichen Redner sind in die Großstadt im Mittleren Westen gereist. Das Abendprogramm wird im Fernsehen und im Internet ausgestrahlt.

Ex-Präsident Carter warb am Dienstag in einer Audiobotschaft für Biden. »Joe hat die Erfahrung, die Charakterstärke und die Anständigkeit, uns zusammenzuführen und Amerikas Großartigkeit wieder herzustellen.«

Ex-Präsident Clinton fuhr in einer Videobotschaft scharfe Attacken gegen Trump: »In Zeiten wie diesen sollte das Oval Office eine Kommandozentrale sein. Stattdessen ist es ein Unruheherd. Es herrscht nur Chaos.« Wer einen Präsidenten wolle, der »seinen Job dadurch definiert, jeden Tag stundenlang fernzusehen und Leute in den sozialen Medien fertigzumachen«, der müsse für Trump stimmen. Biden dagegen übernehme Verantwortung und werde das Land vereinen.

Höhepunkt des Abends war die Rede von Bidens Ehefrau Jill. Sie versprach, ihr Mann werde bei einem Wahlsieg Führungsstärke und Mitgefühl ins Weiße Haus bringen. Die 69-Jährige sprach über die Schicksalsschläge im Leben ihres Mannes, der durch einen Autounfall seine erste Frau und eine Tochter und durch Krankheit einen Sohn verloren hat.

Wenig Raum für Parteilinke
Die US-Demokraten zeigen sich auf ihrem Parteitag geeint, doch im Hintergrund wird weiter gestritten

»Wie bringt man eine gebrochene Familie wieder zusammen? Genauso, wie man eine Nation zusammenbringt: Mit Liebe und Verständnis und kleinen Gesten der Güte, mit Mut, mit unerschütterlichem Glauben«, sagte die frühere Second Lady.

Vier Tage nach der Beerdigung seines 2015 an einem Hirntumor verstorbenen Sohns Beau habe Biden - damals Vizepräsident unter Barack Obama - »sich rasiert, seinen Anzug angezogen« und sei zurück zur Arbeit gegangen. »Manchmal konnte ich mir nicht erklären, wie er es machte - wie er einen Fuß vor den anderen setzte«, sagte Jill Biden. »Aber ich habe immer verstanden, warum er es machte.« Es sei ihm stets um das Wohl der US-Bürger gegangen.

Biden zieht gemeinsam mit der schwarzen Senatorin Kamala Harris als Vize-Kandidatin in den Wahlkampf gegen Trump. Harris wird am Mittwoch ihre Parteitagsrede halten. Agenturen/nd

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