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Rechter Terror in Berlin-Lichtenberg
Stärkere politische Unterstützung für Selbstschutzmaßnahmen jüdischer Einrichtungen gefordert
Nach dem mutmaßlich antisemitisch motivierten Brandanschlag auf eine Kiezkneipe in Berlin-Lichtenberg fordert das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA) eine verstärkte Unterstützung seitens der Politik beim Schutz jüdischer Einrichtungen. »Die Frage ist doch, wie man außerhalb der Stadtzentren insbesondere mit ›weichen Zielen‹, wie eben einer Kneipe, umgeht«, sagte Levi Salomon vom JFDA zu »nd«. Eine dauerhafte Polizeipräsenz werde es nicht geben können. Deshalb müssten die Einrichtungen ihre Sicherheitsmaßnahmen selbst verstärken. »Das kostet aber Geld, sehr viel Geld. Und da ist die Politik gefragt. Das muss die Stadt übernehmen«, so Salomon.
Die von einem jüdischen Wirt geführte Kiezkneipe »Morgen wird besser« unweit des Bahnhofs Lichtenberg war am Freitagmorgen von Unbekannten in Brand gesetzt worden. Dabei wurden große Teile der Inneneinrichtung zerstört. Inzwischen verdichten sich die Hinweise, dass die Tat von Neonazis aus dem Kiez begangen worden sein könnte. Nach Angaben eines Polizeisprechers ermittelt nun der Staatsschutz.
Am späten Dienstagnachmittag haben vor Ort nach Polizeiangaben rund 450 Menschen gegen Antisemitismus und rechte Strukturen in dem Bezirk demonstriert - fast achtmal so viele wie von den Veranstaltern erwartet. Unter den Teilnehmern waren auch Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne), die Bundestagsabgeordneten Gesine Lötzsch (Linke) und Canan Bayram (Grüne) sowie der Berliner Antisemitismusbeauftragte Samuel Salzborn.
Mitorganisiert wurde die Kundgebung von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), der das Berliner Finanzamt für Körperschaften Ende vergangenen Jahres den Status der Gemeinnützigkeit aberkannt hatte. Zur Begründung hieß es damals, die Organisation werde im bayerischen Verfassungsschutzbericht als »bundesweit größte linksextremistisch beeinflusste Organisation im Bereich des Antifaschismus« geführt. Nicht zuletzt mit Blick auf den mutmaßlichen Anschlag forderte die Linke-Politikerin Lötzsch am Mittwoch gegenüber »nd«, diesen Schritt umgehend rückgängig zu machen: »Ich kann es immer nur wiederholen. Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit ist nicht hinnehmbar«, so Lötzsch. Zu den rechtsextremen Strukturen in der Gegend sagte Lötzsch, die auch ihren Wahlkreis in Berlin-Lichtenberg hat: »Diese Minderheit darf nicht das Bild des Kiezes bestimmen.«
Levi Salomon vom JFDA verwies im Gespräch mit »nd« darauf, dass die einst »berühmt-berüchtigte« Neonazi-Hochburg um den Berliner Bahnhof Lichtenberg durch Zuzug in den letzten Jahrzehnten zwar eine massive Wandlung erfahren habe. »Der Kiez hat sich durchmischt. Trotzdem sind die rechten Strukturen geblieben. Und denen passt es nicht, dass es in ihrem Umfeld eine Kneipe gibt, die einen jüdischen Besitzer hat«, so Salomon. Seite 9
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