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Auf Titeljagd im Risikogebiet

Die Fußballerinnen des VfL Wolfsburg wollen das Triple beim Finalturnier der Uefa Champions League

  • Frank Hellmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Es war alles anders als geplant: Ursprünglich hatte der Viola Park in Wien Schauplatz des Finales der Women’s Champions League sein sollen. 12 000 Tickets hatten die österreichischen Organisatoren verkauft, ehe die Coronakrise begann. Als die Europäische Fußball-Union (Uefa) sich vor knapp zwei Monaten für San Sebastian und Bilbao als Ersatz entschied, um das »Final 8«-Turnier der Frauen (21. bis 30. August) auszutragen, war die Verwunderung hinter vorgehaltener Hand im deutschen Frauenfußball groß. Zählte nicht Spanien zu den am meisten betroffenen Ländern der Pandemie?

Die damalige Skepsis wird durch die steigenden Infektionszahlen auf der Iberischen Halbinsel zwar genährt, doch die deutschen Vertreter müssen die Bedenken und die offizielle Reisewarnung zum Turnierstart ausblenden, wenn die Viertelfinals angepfiffen werden, bei denen der VfL Wolfsburg auf den schottischen Außenseiter Glasgow City (Freitag 18 Uhr) sowie der FC Bayern auf den französischen Titelverteidiger und Topfavoriten Olympique Lyon (Samstag 20 Uhr/ beide auf Sport 1) treffen.

Die wichtigsten Fakten zum Finalturnier

Das Champions-League-Turnier der Frauen beginnt am Freitag (18 Uhr) mit zwei Viertelfinalduellen: dem zwischen Deutschlands Doublegewinner VfL Wolfsburg und Außenseiter Glasgow City sowie dem spanischen Kräftemessen zwischen Atletico Madrid und FC Barcelona. Am folgenden Tag (20 Uhr) fordert Bayern München analog zu den männlichen Kollegen Olympique Lyon heraus, parallel spielt der FC Arsenal gegen Paris St. Germain. Die Halbfinals werden am 25./26. August ausgetragen, das Endspiel um den Henkelpokal steigt am 30. August.

Gekickt wird im Estadio Anoeta von Real Sociedad San Sebastian und im San Mames, der Heimspielstätte von Athletic Bilbao. Anders als beim Männerturnier durften die Klubs wegen der Corona-Auswirkungen in begrenztem Umfang auch Sommer-Neuzugänge nominieren. Sechs neue Spielerinnen dürfen jeweils im Kader sein, maximal drei von ihnen dürfen in dieser Saison der Königsklasse schon für einen anderen Viertelfinalisten aufgelaufen sein.

Das führt zu kuriosen Konstellationen: So könnte die isländische Mittelfeldspielerin Sara Gunnarsdottir nach ihrem Wechsel von Wolfsburg zu Lyon theoretisch im Finale gegen das Team spielen, mit dem sie ins Viertelfinale eingezogen war. Zudem sind - wie seit dem Restart nach der Corona-Zwangspause üblich - pro Spiel fünf Auswechslungen erlaubt. SID/nd

»Natürlich verfolgen wir die Entwicklung genau, aber wir werden von der Uefa zu dieser Thematik bestens abgeholt und gehen davon aus, dass das Turnier wie geplant durchgeführt werden kann«, sagt Ralf Kellermann, Sportlicher Leiter beim VfL Wolfsburg. Nach seinem Dafürhalten gibt es »fast keinen sichereren Ort« als solch eine Veranstaltung, bei der beteiligte Personen getestet und die Kontakte zur Außenwelt streng kontrolliert und weitgehend minimiert werden. Bei Atletico Madrid wurden indes im Vorlauf fünf positive Coronafälle bekannt - und der Sieger des Duells Atletico gegen Barcelona würde im Halbfinale auf die »Wölfinnen« warten. »Wir sind nicht unbedingt ängstlich, aber es ist schon ein komisches Gefühl«, sagt Kapitänin Alexandra Popp.

Der VfL-Tross ist bereits am Mittwoch im eigenen Charter ins Baskenland gereist. Dass der Doublesieger aus der Autostadt sich in San Sebastian zu den Königinnen von Europa krönen möchte, formuliert Kellermann offensiv: »Wir wollen mit dem Champions-League-Pokal nach Hause kommen.« Der 51-Jährige hat das Team 2013 und 2014 auf den Thron geführt, 2016 und 2018 gab es unglückliche Endspielniederlagen gegen Lyon. Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, dass nun die Münchnerinnen auf das französische Starensemble mit der deutschen Spielmacherin Dzsenifer Marozsan treffen, wobei die Männer mit ihrem Halbfinalsieg gegen Olympique eine schöne Blaupause lieferten. »Die Entwicklung unserer Frauenabteilung ist seit vielen Jahren extrem erfreulich«, findet Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge, »inzwischen zählen wir auch in der Champions League zum Kreis der Etablierten.« Im Finale aber standen die FCB-Fußballerinnen noch nie.

Alle Teilnehmer durften sechs neue Spielerinnen in die Kaderliste aufnehmen. Wolfsburg hat im Sommer die deutschen Nationalspielerinnen Lena Oberdorf (SGS Essen), Pauline Bremer (Manchester City) und Kathrin Hendrich (FC Bayern) verpflichtet, der FC Bayern Lea Schüller und Marina Hegering (beide Essen) sowie die noch im Aufbautraining befindliche Klara Bühl (SC Freiburg). Im Gegensatz zu den Männern ist es bei den Frauen jetzt erlaubt, auch die Neuzugänge einzusetzen. Ansonsten sind zu viele Quervergleiche nicht dienlich. Gerade wirtschaftlich klaffen Welten zwischen den Formaten.

Bis zum Halbfinale halten die Frauenteams derzeit sogar noch die Rechte an den Fernsehübertragungen in eigener Hand. Nur das Endspiel wird von der Uefa zentral vermarktet, sodass die Sendedetails abhängig von der Finalpaarung erst kurzfristig bestimmt werden. Bald soll aber alles besser und größer werden: 2021/2022 wird eine Gruppenphase eingeführt. Drei Bundesligisten können sich dann für den einzigen europäischen Frauenwettbewerb qualifizieren. »Diesen Schritt befürworten wir seit langer Zeit. Das ist genau der richtige Weg«, sagt VfL-Sportdirektor Kellermann.

Bianca Rech, Sportliche Leiterin beim FC Bayern, spricht von einem Quantensprung, »weil das derzeitige Format der K.-o.-Runden einfach nicht mehr zeitgemäß ist«. Ziel der Uefa ist es, über die Zentralvermarktung die Zuschauerzahlen und den kommerziellen Wert in fünf Jahren zu verdoppeln.

Schon jetzt sind allerdings die ressourcenstarken Großvereine aus dem Männerfußball klar tonangebend. Fünf Viertelfinalisten standen auch bei den Männern in der Runde der letzten Acht. Diese Entwicklung werde sich noch verstärken, glaubt Wolfsburgs Sportlicher Leiter Kellermann: »Der Trend geht dahin, dass in den nächsten Jahren vor allem jene Mannschaften den Wettbewerb dominieren werden, die dieses auch bei den Männern tun.«

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