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Volksfront gegen Trump
US-Demokraten zelebrieren Einigkeit auf dem Parteitag.
Einiges ist anders und vieles bleibt gleich. Der Parteitag der US-Demokraten zeigt eine Partei, die Bekenntnisse zu Diversität und eine perfekt inszenierte Wohlfühlshow mit kleinen sozialpolitischen Kurskorrekturen und Zugeständnissen an ihre jungen Wähler verbindet. Und das ohne größere Pannen, auch bei Joe Biden. Der «Roll Call», die Kür des Präsidentschaftskandidaten, fand in Form von Kurzvideos statt. Reihum erklärten dabei die Delegierten aus allen 50 Staaten, wie sie abgestimmt hatten, nutzten die Gelegenheit aber auch, um Werbung für ihren Staat zu machen.
Die Kurzvideos zeigten in mitunter drolligen Szenen auch die landschaftliche Vielfalt der USA. Das Abstimmungsergebnis: 3558 Delegierte und Superdelegierte für Biden, 1151 für Bernie Sanders. Dieses Mal gab es – nicht nur wegen des digitalen Formats, sondern auch, weil Sanders und Biden sich persönlich besser verstehen und zwischen beiden Lagern zuvor inhaltliche Kompromisse ausgehandelt wurden – keine tumultartigen Szenen wie auf dem Parteitag 2016. Das lag auch daran, dass Joe Biden der Parteilinken in mehreren «Einheitskomissionen» programmatisch zumindest teilweise entgegengekommen ist, besonderes bei der Politik gegen die Klimakrise. Anders als vor vier Jahren war man darauf bedacht, Einheit zu demonstrieren.
Auch wenn die Partei immer noch versucht, das uneingelöste Versprechen Amerikas und das Streben nach einem «besseren» Land für alle, den gesellschaftlichen Fortschritt zu verkörpern, trat das diesmal in den Hintergrund. Die Rede des ergrauten Ex-Präsidenten Barack Obama war nicht wie sein Wahlkampf 2008 von «Hope and Change»-Rhetorik geprägt, sondern ein scharfer Angriff auf Donald Trump und eine düstere Warnung vor dem Ende der Demokratie. «Der Preis des Scheiterns ist zu hoch», warnte auch Bernie Sanders, der ankündigte, mit «Progressiven, Moderaten und ja, auch mit Konservativen» zusammenarbeiten zu wollen, um die Ära Trump zu beenden. Und der neue Star der Parteilinken, Alexandria Ocasio-Cortez, erklärte ihren Anhängern auf Instagram, bei dieser Wahl gehe es um den «Kampf gegen den Faschismus».
Teil dieser «antifaschistischen» Volksfront, die versucht, alle Nichtrechten in den USA zu versammeln, sind jetzt auch Never-Trump-Republikaner, also Parteikollegen des Präsidenten, die sich gegen ihn richten. Sie wurden – sehr zum Ärger linker Aktivisten, die online mit bitterem Spott reagierten – geradezu exzessiv «ausgestellt», durften lange Grußworte halten. So soll den Republikaner-Wählern signalisiert werden, dass Biden, anders als von Trumps Wahlkampfteam behauptet, keine Marionette der radikalen Linken ist. Weil sie zur Wahl von Joe Biden aufriefen, wurde geflissentlich übersehen, dass John Kasich als Gouverneur von Ohio 21 Gesetze zur Einschränkung von Schwangerschaftsabbrüchen unterzeichnet hat. Ex-Außenminister Colin Powell ist wiederum mit einer Präsentation vermeintlicher «Beweise» für Massenvernichtungswaffen vor der UN für den dritten Irakkrieg mitverantwortlich. Bei den Gastauftritten ging es dennoch vor allem Symbolpolitik, denn die Never-Trump-Republikaner repräsentieren nur eine sehr kleine Wählergruppe.
Unter den Demokraten ist Bidens Kandidatur wiederum nur der allerkleinste gemeinsame Nenner, wie eine Umfrage von Pew Research zeigt: Von denjenigen, die im November für ihn stimmen wollen, werden dies 56 Prozent nur tun, weil er «nicht Trump» ist. Weit abgeschlagen folgten andere Gründe wie seine «Führungsqualitäten» (19 Prozent), seine «Persönlichkeit» (13 Prozent) und seine Politikvorschläge (9 Prozent). Begeistert über Biden sind nach wie vor nur die wenigsten Demokraten-Wähler. Dabei war eine positive Motivation, für einen Kandidaten zu stimmen, in der Vergangenheit immer wieder wichtig, um die Jugend, marginalisierte Minderheiten und arme Nichtwähler und Arbeiter – die Regenbogen-Koalition eben – dazu zu bringen, den Demokraten-Kandidaten zu wählen. Anders als in der Vergangenheit zeigen Umfragen, dass dieses Jahr aber eine knappe Mehrheit der Senioren den Demokrat Biden wählen will.
Passend zu Bidens restaurativem Versprechen, die «Seele der Nation» wiederherzustellen, wurde viel in die Vergangenheit geblickt. Man ließ alle noch lebenden demokratischen Ex-Präsidenten mit längeren Reden auftreten. Mit Blick darauf und die prominente Rolle von Barack und Michelle Obama spöttelte Matthew Yglesias vom Erklärjournalismusportal Vox.com, es handele sich um ein Schaulaufen der «Nostalgie-kraten». Dabei wird es an der Parteispitze in Kürze Veränderungen geben müssen. Denn: Der Großteil der Parteiführung im US-Kongress ist über 80 Jahre alt. Doch vorerst haben die Alten das Zepter noch fest in der Hand. Jüngere Politiker, Vertreter von Latinos und Progressiven mussten sich dagegen mit der Rolle als schmückendes Beiwerk und Kurzauftritten zufriedengeben.
All das erinnere fatal an 2016, meinen linkspopulistisch gesinnte Beobachter wie die Fernsehmoderatorin Krystal Ball. Erneut kritisiere man hauptsächlich die Manieren von Donald Trump, habe außer wolkiger und politisch korrekter Rhetorik wenig zu bieten für die vom sozialen Abstieg bedrohten Arbeiter Amerikas. Tatsächlich wird Rassismuskritik sehr ausführlich behandelt, man bekennt sich immer wieder zur Black-Lives-Matter-Bewegung, das Thema soziale Ungleichheit kommt dagegen weniger vor.
«Keine Politikvorschläge in Sicht, nur gute Stimmung», resümierte ein Reporter der «New York Times» noch am zweiten von vier Tagen. Dabei will auch Joe Biden einen Mindestlohn von 15 Dollar und die gewerkschaftliche Organisierung erleichtern, hat sich auf seiner Parteitagsrede positiv auf den New Deal bezogen. Drei- und Vierjährige sollen nach den Vorstellungen der Demokraten Anspruch auf Kita-Plätze bekommen. Barack Obama und Bernie Sanders sprechen von Steuergeschenken an Vermögende durch Trump, von «denen, die davon profitieren, wenn alles so bleibt, wie es ist (auch wenn Biden genau dies Großspendern versprochen hat) sowie von Trump als »Präsident der Reichen und Unternehmen« und des Sozialabbaus.
Deren 92 Seiten langes neues Parteiprogramm ist sowohl eine relativ progressive Wünsche-Sammlung als auch ein Dokument, das ihren Präsidentschaftskandidaten nicht blamieren soll. Doch die politikwissenschaftliche Forschung zeigt, dass Parteiprogramme auch ein Blick in die Zukunft sind. Viele Parlamentsabgeordnete stimmen am Ende für entsprechende Gesetzesvorschläge.
Die Partei will jetzt eine öffentliche Krankenversicherung schaffen, die sogenannte »public option«. Diese soll in Konkurrenz und Ergänzung zu privaten Krankenversicherungen entstehen, ohne Zuzahlungen bei Krankenhausbesuchen auskommen und die ärmsten Amerikaner automatisch versichern.
Hinter den Kulissen hatte es ein zähes Ringen um Formulierungen gegeben. Nun heißt es im Programm nur vage, die Partei biete auch Platz für diejenigen, die sich für eine staatliche Krankenversicherung (Medicare for all) engagieren würden. 700 der über 4500 Delegierten stimmen deswegen gegen den Entwurf, darunter nicht nur Sanders-Anhänger, sondern auch einige Biden-Delegierte. »Ich bin Biden-Delegierter, kann aber nicht für ein Programm stimmen, das nicht Medicare for All fordert. In einer Zeit, in der 27 Millionen Menschen ihre Arbeitgeber-gebundene Krankenversicherung verloren haben, ist das ein moralischer Imperativ«, erklärte etwa Vincent Fort, ehemaliger Staatsenator aus Georgia.
Man will auch Studiengebühren an öffentlichen Universitäten abschaffen und im Kampf gegen die Klimakrise bis 2035 emissionsneutral Strom erzeugen. Außerdem stehen erneut alte und bisher nicht realisierte Forderungen wie die nach einer Staatsbürgerschaft für Menschen ohne Papiere im Programm.
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