Braunkohleentschädigung noch nicht unter Dach und Fach

Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft befürchtet, die Gelder könnten an Anteilseigener verschwinden

  • Jörg Staude
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Kohleausstieg 2038 ist unter Dach und Fach, heißt es, seit der Bundestag Anfang Juli das Ausstiegsgesetz verabschiedete. Zugleich scheiterte aber der Plan, parallel den öffentlich-rechtlichen Vertrag über die 4,35 Milliarden Euro Entschädigung für die Kraftwerkseigner RWE und Leag unterschreiben zu lassen. Als Reaktion auf die massive Kritik soll nun im Wirtschaftsausschuss des Bundestages am 7. September eine öffentliche Anhörung stattfinden.

RWE soll für das Abschalten von Kraftwerken und die Stilllegung von Tagebauen 2,6 Milliarden Euro erhalten, die Leag 1,75 Milliarden Euro. Diese Gelder können aber nur fließen, wenn die EU die Milliardenentschädigungen auch beihilferechtlich erlaubt. Ein Termin dafür ist bisher nicht bekannt. Zudem weigert sich der mitbetroffene Energiekonzern EnBW, den Vertrag zu unterzeichnen, solange nicht mögliche Regressansprüche des mitteldeutschen Braunkohlelieferanten Mibrag geklärt sind. All das sorgt bei den Betreibern für Nervosität. RWE warnte jetzt vor Verzögerungen bei den Zahlungen. Der Vertrag müsse zeitnah unterschrieben werden, weil bereits Ende 2020 das erste Kraftwerk im rheinischen Revier abgeschaltet werde, erklärte der Konzern.

Zugleich reißt die generelle Kritik an dem Entschädigungsvertrag nicht ab. Ginge es nach einer kürzlich vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) vorgelegten Analyse, gehören Teile des Vertrages praktisch in den Reißwolf. So kritisieren die Autorinnen Swantje Fiedler und Isabel Schrems, dass laut Vertrag die Stilllegung einzelner Braunkohleblöcke zwar um drei Jahre vorgezogen werden kann - zugleich schaffe der Vertragsentwurf aber die Möglichkeit, dass Braunkohleunternehmen in Zukunft »weitere Entschädigungen fordern könnten, wenn Braunkohlekraftwerke früher als im Kohleausstiegsgesetz beschlossen stillgelegt werden«.

Denn die Milliardenentschädigungen gelten nur für Anlagen, die bis 2030 vom Netz gehen - Stilllegungen danach sind quasi entschädigungslos. Will der Gesetzgeber aber Anlagen, die erst nach 2030 abgeschaltet werden sollen, eher vom Netz nehmen, legt der Vertragsentwurf fest: Diese vorgezogenen Stilllegungen bleiben nur dann ohne Entschädigung, wenn sie mindestens fünf Jahre vor dem vorzeitigen Stilllegungszeitpunkt beschlossen werden. Entscheidet sich die Politik also doch schneller dafür, aus der Kohle auszusteigen, könnten weitere Entschädigungen fällig werden.

Zweifel haben die FÖS-Expertinnen auch an den Regelungen, die verhindern sollen, dass Leag und RWE die Entschädigungen vereinnahmen und als Rendite an ihre Eigentümer weiterreichen - womit die öffentliche Hand auf den Kosten für die Sanierung der Kohletagebaue sitzen bliebe. FÖS-Ökonomin Fiedler erkennt in den Regelungen zwar den »Versuch, die Gelder für die Folgekostenfinanzierung zu sichern« - besonders bei der Lausitzer Leag, wo die »Sicherungsbemühungen« viel größer seien als bei RWE. Trotzdem seien die Bemühungen unzureichend, kritisiert Fiedler. Bei den Regelungen, die den RWE-Konzern betreffen, befürchtet die FÖS-Analyse, dass die Zahlungen einfach ins Konzernvermögen eingehen. So deute sich im Vertrag an, dass der Anspruch auf die Milliarden direkt nach Abschluss des Vertrags im Jahresabschluss der RWE Power AG bilanziell erfasst werden kann und so das Ergebnis des Geschäftsjahres 2020 schlagartig verbessert, auch wenn das Geld real erst später in Raten ausgezahlt werde. Aufgrund des Ergebnisabführungsvertrags des Tochterunternehmens RWE Power mit der RWE AG könnten Gewinne dann direkt an den Mutterkonzern abgeführt und an Anteilseigner ausgeschüttet werden, erläutert das FÖS. Das »Verschwinden« der Gelder im Mutterkonzern lasse sich nur verhindern, wenn diese in der Bilanz gesondert ausgewiesen würden.

Dass der Leag-RWE-Vertrag die Ausschussdebatte unverändert übersteht, ist kaum zu erwarten. Wichtiger ist die Frage, ob die Einwände auf den Kohleausstieg durchschlagen. Nach Ansicht von Swantje Fiedler lassen sich mögliche Auswirkungen jetzt noch nicht abschließend bewerten. Sofern der Vertrag nur »im Kleinen« nachgebessert werde oder nur Transparenz über die Entschädigungen geschaffen werde, müsste das Kohleausstiegsgesetz nicht noch einmal geändert werden, so Fiedler. Sie räumt aber ein: »Es kommt sicherlich auf den Umfang der Änderungen an.«

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