Nur so groß wie möglich

Die Portugiesische KP hält an der Ausrichtung der »Festa do Avante!« fest und sorgt damit für heftige Debatten

  • Peter Steiniger
  • Lesedauer: 4 Min.

Corona hat Portugals älteste Partei nicht in Panik verfallen lassen. Die Entscheidung über ihr »Avante!«-Pressefest wollte die Portugiesische Kommunistische Partei (PCP) von der Entwicklung der Covid-19-Pandemie im Land abhängig machen. Eine mögliche Absage nannte ihr Generalsekretär Jerónimo de Sousa im Frühjahr »kein Drama« - auch nicht für die Finanzen seiner Partei. Ende Mai fiel dann der Beschluss, das mit Abstand nach Teilnehmern größte regelmäßige Event in Portugal auch in diesem Jahr durchzuführen. Brigaden Freiwilliger begannen, wie in jedem Frühjahr und Sommer, mit dem Aufbau der Pavillons auf dem parteieigenen Gelände Quinta da Atalaia/Cabo de Marinha im Kreis Seixal am Tejo-Ufer südlich von Lissabon.

Zugleich setzte in den Leitmedien und sozialen Netzwerken eine erregte Debatte ein. Neben besorgten Stimmen und den Propheten einer »zweiten Welle« der Pandemie bei einem Zuviel an Normalisierung des öffentlichen Lebens meldete sich auch die rechte Konkurrenz mit scharfen Angriffen auf die »geldgierigen Genossen« zu Wort. Schließlich haben alle anderen Parteien größere Veranstaltungen abgesagt, sind die in ganz Portugal üblichen Sommerfeste mit viel Gedränge, Tanz und Musik bis September ganz untersagt. Nun: »Es gibt kein Fest wie dieses«, lautet ein Motto des Events. Und es ist nicht nur hinsichtlich der Größe stimmig. Die Durchführung durch Tausende ehrenamtlich mitarbeitende Aktivisten, der politische und kulturelle Gehalt, das friedvolle Miteinander unterscheiden das dreitägige Festival von sonstigen Massenfeiern deutlich.

Vom 4. bis 6. September soll es wieder soweit sein, am Mast hoch über der Quinta da Atalaia die rote Fahne mit Hammer und Sichel wehen, noch von Lissabons Aussichtspunkten auszumachen. Die Organisatoren stimmen sich laufend mit der Gesundheitsbehörde DGS ab und wollen die Einhaltung aller Hygieneregeln im Zusammenhang mit Corona garantieren. Ein »Maskenball« soll das Fest dabei nicht werden. Etwa 33 000 Personen, ein Drittel der früheren Kapazität, dürfen sich maximal auf dem Gelände aufhalten. Der für die Besucher zugängliche Bereich wird zudem beträchtlich erweitert. Bei den Konzerten werden diesmal fast nur portugiesische Künstler auftreten, das große klassische am Eröffnungstag fällt weg. Ebenso Sportveranstaltungen wie der traditionelle Avante-Lauf. Ausstellungen, Debatten, Kino- und Theatervorführungen finden sämtlich unter freiem Himmel statt. Hierbei sowie in den improvisierten Bars und Restaurants soll auf genügend Abstand zwischen den Besuchern geachtet werden. Eine Schar von Helferinnen und Helfern wird auf die Einhaltung der Regeln hinwirken.

Der leutselige Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa murrte, weil die Kommunisten ihr eigenes Ding machen. Der auf Ausgleich bedachte konservative Politiker weiß aber auch, dass die PCP, die bis zum Sturz des klerikal-faschistischen Regimes am 25. April 1974 in der Illegalität wirkte, nicht ohne Grund als »preußischste« der Parteien im iberischen Sonnenland gilt. Mit der »Festa«, die stets Hunderttausende und längst nicht nur KP-Parteigänger anzieht, liefert sie Jahr für Jahr einen erneuten Beweis für straffe Disziplin und gute Organisation ab. Neben dem ersten Festival, 1976 auf Lissabons Messegelände FIL, war der frühere Journalist Rebelo de Sousa noch zwei weitere Male zu Gast auf der Party der Partei der Arbeiterklasse. Zuletzt trank der Mitgründer der Mitte-rechten PSD vor fünf Jahren dort bei deren 39. Ausgabe ein Gläschen mit. Nur, wenn man mit eigenen Augen »die in Europa einzigartige Tatsache« gesehen habe, wie eine politische Kraft die Jugend und ihre Wählerschaft mobilisiere, könne man über die PCP wirklich mitreden, begründete der damals kommende Präsidentschaftskandidat seinen Besuch.

Portugals Premierminister António Costa von der sozialdemokratischen Partido Socialista (PS) hat früh signalisiert, dass er nicht daran denkt, andere Parteien an ihren politischen Aktivitäten zu hindern und die KP zudem als verantwortungsbewusst einschätzt. Catarina Martins vom Linksblock BE betont, nach Avante gefragt, dass jede Organisation für sich entscheiden müsse. »In Portugal sind die politischen Rechte nicht eingeschränkt, und das fehlte uns gerade noch.« Ganz anders sieht das der Jugendverband Juventude Popular der konservativen CDS-PP, der eine Petition startete, die die Regierung auffordert, das Fest zu untersagen. Der linken »Meinungsdiktatur« will der rechte politische Nachwuchs nicht weichen. Die Regierung sieht »nach der Verfassung keine Befugnisse, politische Initiativen wie die ›Festa do Avante!‹ zu verbieten«. Die PCP will mit diesem gerade jetzt Demokratie sichtbar leben und angesichts drohenden ökonomischen und sozialen Rückschritts einen kämpferischen »Beitrag gegen Angst und Resignation« leisten.

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