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Von lieben Genossen und Hyänen
In Südafrika versinken Corona-Hilfen im Korruptionssumpf
Folgt man Cyril Ramaphosa, Staatspräsident Südafrikas und zugleich Präsident des dort regierenden African National Congress (ANC), so herrschen animalische Zustände im Land am Kap der Guten Hoffnung. »Aasfresser«, die versuchten von der Corona-Pandemie zu profitieren, hatte er ausgemacht. Und er verglich diese Akteure in seinem wöchentlichen Brief an die Nation mit »einem Rudel Hyänen, die ein verwundetes Beutetier umkreisen«. Am Sonntag legte Ramaphosa nach. In einem Brandbrief, adressiert an die »lieben Genossen« seines ANC, legte er detailliert dar, wie Parteistrukturen als Zugangstor zu Jobs, Aufträgen und Reichtum missbraucht werden. »Der ANC steht vielleicht nicht allein vor Gericht, aber er steht dort als Angeklagter Nummer eins«, konstatierte Ramaphosa das Offensichtliche.
Dabei ist das Eingeständnis des grassierenden Raubrittertums in den eigenen Reihen nicht einmal mehr die eigentliche Nachricht. Schließlich war Ramaphosa bereits im Februar 2018 als Staatschef mit dem Versprechen angetreten, den Sumpf trockenzulegen, den sein Vorgänger Jacob Zuma gehegt und gepflegt hatte. Doch die Erfolge in diesem Kampf gegen Windmühlen blieben überschaubar, während die Konsequenzen weiterhin allgegenwärtig sind. Erst in der vergangenen Woche hatte der staatliche Elektrizitätsversorger Eskom einmal mehr planmäßige Stromabschaltungen veranlassen müssen, da ganze Kraftwerkseinheiten infolge nicht erfolgter Wartung vom Netz gingen. Selbst in den Lockdown-Levels 3 und jetzt 2, in denen die schwer getroffene Wirtschaft noch längst nicht wieder mit voller Kapazität arbeitet, gelingt es dem von der Zuma-Clique ein Jahrzehnt lang förmlich geplünderten Staatsunternehmen offensichtlich nicht, den Bedarf zu decken.
Die Krise bei Eskom ist nur ein Aspekt von vielen. Ramaphosa selbst erwähnt Berichte von ANC-Lokalpolitikern, die im härtesten Lockdown Essenspakete für loyale Unterstützer abzweigten und den Rest ihrer Gemeinden hungern ließen. Selbst Wassertanker für buchstäblich auf dem Trockenen sitzenden Dörfer wurden umgelenkt, um politisch aufmüpfigen Bewohnern eine Lektion zu erteilen. Dazu ergatterten politisch vernetzte Unternehmer Aufträge zur Beschaffung von medizinischer Schutzausstattung - in der Regel als reine Zwischenhändler ohne Fachexpertise, dafür aber mit gigantischen Preisaufschlägen. Für den Staat wurde das teuer, für medizinisches Personal und Patienten potenziell tödlich. Entsprechend groß ist die Wut in der Bevölkerung. Ein Rudel Hyänen ist vielen Südafrikanern wahrscheinlich inzwischen sympathischer als mancher ANC-Politiker.
Mitten hinein in diese Krise - und exakt drei Tage nach Ramaphosas »Aasfresser« - Rundbrief, befand dann ANC-Generalsekretär Elias »Ace« Magashule in einem Interview mit »News24«, dass es kein Gesetz gäbe, das es seinen Söhnen untersagen würde, Geschäfte mit Regierungsinstitutionen zu machen. Die beiden Sprößlinge hatten in der Provinz Freistaat, die ihr Vater jahrelang von schweren Korruptionsvorwürfen umwittert als Ministerpräsident regiert hatte, von einst eng mit dem Senior verbundenen Offiziellen lukrative Aufträge zur Beschaffung von medizinischer Schutzausrüstung erhalten. Vater Magashule dazu vor laufender Kamera: »Zeigen Sie mir einen ANC-Führer, der keine Geschäfte mit der Regierung gemacht hat.«
Inzwischen gibt sich freilich auch Magashule als Anti-Korruptions-Kämpfer. In einem internen Schreiben zur Vorbereitung auf ein Meeting mit den Provinzvorsitzenden des ANC am 19. August, legte der ANC-Generalsekretär seinerseits eine Reihe von Maßnahmen dar. Dabei zieht er jedoch alles andere als an einem Strang mit Ramaphosa. Magashule gilt als einflussreicher Vertreter des alten Zuma-Lagers, innerhalb des ANC gilt er als bedeutendster Gegenspieler Ramaphosas. Die Risse zeigen sich auch in der Herangehensweise an die Korruptionskrise: Während Ramaphosa in seinem jüngsten Schreiben ausdrücklich die Auftragsvergabe an Freunde und Familie als »bekannteste Form der Korruption« geißelte, hob Magashule eine Resolution gegen den Kauf von Delegierten-Stimmen auf Partei-Konferenzen hervor. Letzteres wurde Ramaphosa nach dessen Wahl an die Parteispitze vorgeworfen. Der Kampf gegen die Korruption wird so zum Spielball in parteiinternen Machkämpfen. Weiterhin gute Zeiten für Hyänen also - und schlechte für auf staatliche Hilfen angewiesene Menschen.
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