- Politik
- US-Präsidentschaftswahl
Republikaner gegen Trump
Nominierungsparteitag setzt auf Kult um den Präsidenten. Ex-Parteipromis wenden sich von ihm ab
Angekündigt war eigentlich etwas anderes, wobei in diesen Zeiten die Bedeutung von Worten nicht mehr klar zu sein scheint. Der Nominierungsparteitag der Republikanischen Partei, so hieß es vorab, werde eine optimistische und fröhliche Feier sein, den Blick auf eine bessere Zukunft gerichtet. Stattdessen war bereits der erste Tag eine Veranstaltung der Drohungen, der Einschüchterung, der Wut und der Lügen. Ein Vorgeschmack auf das, was in den zehn Wochen bis zur Wahl noch kommen wird.
Einstimmig wählten die Delegierten Amtsinhaber Donald Trump zum Präsidentschaftskandidaten. Der ist es auch, angesichts des fehlenden Wahlprogramms der Partei, um den sich alles dreht - Trump als letztes Bollwerk gegen das Chaos, die Gewalt und den ökonomischem Niedergang hin zu wahlweise Sozialismus oder Kommunismus, der unvermeidlich eintreten werde, sollte der Herausforderer von den Demokraten Joe Biden die Wahl am 3. November gewinnen. Doch dazu könne es nur kommen, so Trump in nie dagewesener Eindeutigkeit, wenn die Demokraten die Wahl fälschten: »Die einzige Möglichkeit, wie sie uns diese Wahl wegnehmen können, ist, wenn das eine manipulierte Wahl ist«, sagte der Präsident in seiner Rede am Montag. Dass der Präsident eine Niederlage akzeptieren würde, scheint immer unwahrscheinlicher.
Dass Trump weiterhin in vielen Umfragen deutlich zurückliegt, dass die vergangenen Tage haufenweise für ihn schlechte Nachrichten brachten - Trumps Ex-Chefberater Steve Bannon wegen Betrugs verhaftet; in New York erlauben Gerichte die Ausweitung von Ermittlungen gegen den Trump-Konzern; Trumps wichtigster Unterstützer aus dem Umkreis evangelikaler Kirchen, Jerry Falwell Jr., stürzt über eine Sexaffäre; Trumps langjährige Beraterin Kellyane Conway zieht sich wegen eine Familienstreits über ihre Unterstützung des Präsidenten zurück - das alles wird auf dem Konvent ausgeblendet. Es gilt: Die schlechten Umfragen sind gefälscht, wie schon vor vier Jahren wird der Präsident triumphieren und die USA retten.
Der Republikaner-Parteitag offenbart, wie sehr sich die Partei Trump unterworfen hat. Die wichtigsten Redner: Trumps Familie. Kritische Köpfe wie Senator Mitt Romney? Fehlanzeige. In der nach rechts gerutschten Partei herrscht der Trump-Kult, wer sich dagegenstellt, bekommt es mit Trumps geballter Wut und danach mit dessen Anhängern zu tun. Der republikanische ehemalige Präsident George W. Bush hat bereits beim Nominierungsparteitag 2016 gefehlt, auch in diesem Jahr wird er nicht kommen.
Neu ist, dass auch viele Senatoren, die in umkämpften Staaten um ihre Wiederwahl fürchten, nicht kommen werden. Denn sie befürchten, dass Trumps Fehler im Umgang mit der Corona-Pandemie auch ihre Wahlchancen mindern. Immer mehr republikanische Ex-Promis sprechen sich gegen Trump aus. Am Eröffnungstag des Konvents startete eine neue Kampagne: »Republikaner für Biden«. 27 ehemalige Abgeordnete warnen davor, Trump zu wählen. Sie reihen sich ein in die wachsende Zahl republikanischer Dissidenten, die sich gegen Trump oder sogar für Biden aussprechen. Darunter sind ehemalige Minister wie Colin Powell, ehemalige Senatoren wie Jeff Flake aus Arizona und auch der Ex-Gouverneur von Ohio John Kasich, der sogar eine Rede beim Nominierungsparteitag der Demokraten hielt.
Wie groß das Unbehagen in Teilen der Partei ist, lässt sich auch daran erkennen, dass 73 republikanische Ex-Beamte aus dem Sicherheitsbereich, darunter frühere FBI- und CIA-Bosse, in einer Erklärung das Verhalten des Präsidenten als korrupt geißeln. Und schon seit Monaten reizen Videoclips des »Lincoln Projects« Trump bis zur Weisglut. Gegründet von früheren republikanischen Wahlkampfmanagern hat das Projekt zum Ziel, auch Konservative dazu zu bringen, Biden zu wählen. Dessen Sieg soll den Republikanern die Chance geben, sich in der Opposition vom Trump-Kult zu befreien.
Ob diese Strömungen gegen Trump etwas ausrichten können, bleibt abzuwarten. Denn der Präsident genießt an der Basis der Partei weiter große Unterstützung, die Abweichler werden dort als Verräter betrachtet. Der Parteitag der Republikaner spricht von der wichtigsten Wahl in der Geschichte der USA. Und Trump hat sie noch lange nicht verloren.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.