Machtwechsel nach Parlamentswahl in Montenegro?

Regierende Sozialdemokraten stürzen laut Prognosen ab / Pro-serbisches Oppositionsbündnis legt deutlich zu

  • Lesedauer: 3 Min.

Podgorica. Nach der Parlamentswahl in Montenegro müssen die langjährig regierenden Sozialdemokraten den Machtverlust befürchten. Zwar sah eine Prognose am Sonntagabend die sozialdemokratische DPS von Präsident Milo Djukanovic mit 34,7 Prozent der Stimmen als stärkste Kraft. Das pro-serbische Oppositionsbündnis »Für die Zukunft Montenegros« lag demnach bei 33,1 Prozent. Doch könnte die Oppositionsallianz den Machtwechsel auch als zweitstärkste Kraft schaffen, wenn sie sich noch mit anderen Gruppierungen zusammenschließt.

Laut der auf Nachwahlbefragungen beruhenden Prognose der Organisation Cemi holte die DPS 30 Mandate in dem aus 81 Sitzen bestehenden Parlament. Das Bündnis »Für die Zukunft Montenegros« kommt demnach auf 27 Sitze.

Sollte der Opposition dennoch der Machtwechsel gelingen, käme dies einem politischen Erdbeben in dem kleinen Adriastaat gleich. Die Sozialdemokraten haben dort noch nie eine Wahl verloren. Die Prognose deutete darauf hin, dass die DPS ihr bislang schlechtestes Wahlergebnis überhaupt einfahren würde.

Djukanovic sagte am Abend bei einem Auftritt in der Parteizentrale der Sozialdemokraten: »Die DPS ist die stärkste Partei in Montenegro.« Er führte ins Feld, dass seine Partei zusammen mit traditionellen Verbündeten eine Mehrheit von 40 Sitzen zusammenbekommen könne. Der Anführer der Oppositionsallianz, Zdravko Krivokapic, verkündete hingegen triumphierend: »Das Regime ist gestürzt.« Anhänger des Oppositionsbündnisses feierten in den Straßen der Hauptstadt Podgorica.

Der 58-jährige Djukanovic ist seit Ende der neunziger Jahre die dominierende politische Figur in Montenegro. Er führte das Land zur Unabhängigkeit von Serbien im Jahr 2006 und dann 2017 in die Nato. Als nächsten großen Schritt strebt Djukanovic die Aufnahme Montenegros in die Europäische Union an.

Seine Kritiker werfen Djukanovic allerdings einen autoritären Regierungsstil, Korruption und Verbindungen zur organisierten Kriminalität vor. Der Staatschef stand aber selber am Sonntag nicht zur Wahl. Die nächsten Präsidentschaftswahlen finden erst 2023 statt.

Das schwache Ergebnis der DPS führen Politbeobachter in erster Linie auf deren Streit mit der nach wie vor einflussreichen Serbisch-Orthodoxen Kirche zurück. Darin geht es um ein Ende 2019 verabschiedetes Gesetz, das zur Verstaatlichung hunderter serbisch-orthodoxer Klöster führen könnte. Große Proteste des serbischen Teils der Bevölkerung waren die Folge. Ethnische Serben machen rund ein Drittel der 620.000 Bewohner Montenegros aus.

Wegen der Corona-Pandemie mussten die Wähler bei dem Urnengang Masken tragen, Sicherheitsabstände einhalten und sich vor Ausfüllen der Wahlzettel die Hände desinfizieren. Die Pandemie hat das stark vom Tourismus abhängige Land auch wirtschaftlich schwer getroffen. Es droht die schlimmste Krise in mehr als einem Jahrzehnt.

Zugleich gilt Montenegro als einer der vielversprechendsten EU-Beitrittskandidaten auf dem Balkan. In Brüssel herrschen aber nach wie vor Vorbehalte wegen eingeschränkter Pressefreiheit und der starken organisierten Kriminalität in dem Land. AFP/nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.