Nebelkerzen beim Fleisch

Das Gesetz zum Verbot von Werkverträgen in Schlachthöfen geht in die erste Lesung. Die Gewerkschaft kritisiert Arbeitgeber.

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

In der Fleischwirtschaft steht einiges auf der To-do-Liste. Während in der kommenden Woche das neue Arbeitsschutzkontrollgesetz, mit dem Werkverträge und Leiharbeit verboten werden sollen, im Bundestag beraten wird, verkündeten die Arbeitgeber jüngst ihre Bereitschaft, mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) zu verhandeln. Theo Egbers, Vorsitzender des Sozialpolitischen Ausschusses der Fleischwirtschaft, sagte der »Neuen Osnabrücker Zeitung«, man sei bereit, über einen flächendeckenden Tarifvertrag zu sprechen. Darin sollten der Mindestlohn, Wohnunterkünfte und der Einsatz von Leiharbeit geregelt sein. In der Branche arbeiten laut NGG rund 100 000 Menschen, rund 35 000 von ihnen per Werkvertrag.

»Wir werden definitiv nicht über Leiharbeit mit den Arbeitgebern sprechen«, sagte NGG-Chef Guido Zeitler am Mittwoch vor Journalist*innen in Berlin. Die NGG will über einen Manteltarifvertrag reden, der Arbeitsbedingungen, Arbeitszeiten oder Urlaub regelt. »Leiharbeit gibt es bald nicht mehr«, so Zeitler. Der Gewerkschafter sieht das Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit als den Kern des Gesetzes. Für die NGG ist es ein »Meilenstein«.

Die Fleischwirtschaft steht seit Ende der 1990er Jahre immer wieder wegen der katastrophalen Arbeitsbedingungen in der Kritik, auch international. Mehrere Selbstverpflichtungen in den vergangenen Jahren führten nicht zu strukturellen Verbesserungen der Situation der Beschäftigten.

»Die Selbstverpflichtungen dienten nur dazu, Gesetze abzuwehren«, sagte Gerhard Bosch vom Institut für Arbeit und Qualifikation an der Universität Duisburg-Essen. Er hat vor kurzem eine Studie über die Situation in der Fleischwirtschaft mitverfasst. Die Ergebnisse: Die Branche hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer Industrie mit wenigen großen Playern entwickelt; die Tätigkeiten, die zum Kerngeschäft gehören, also etwa Schlachten und Zerlegen, sind zum größten Teil ausgelagert und werden von überwiegend aus Osteuropa stammenden Billigarbeitskräften erledigt; der Staat begnügte sich mit Selbstverpflichtungen, die Kontrolldichte in den Betrieben nahm ab.

Bosch unterscheidet zwischen Selbstregulierung und Selbstverpflichtungen. Während Letzteres einseitig von einer Seite beschlossen wird, ist die Selbstregulierung ein Mechanismus, bei dem Gewerkschaften, Unternehmen und Betriebsräte sich gemeinsam auf Standards einigen und diese im Idealfall auch umsetzen. »Die beste Arbeitsschutzinspektion sind nicht Arbeitsschutzbehörden und Zoll, sondern die Betriebsräte«, sagte Bosch weiter.

Beschäftigtenvertretungen gibt es in den großen Schlachtbetrieben bisher selten. Beispielsweise beim Branchenriesen Tönnies gibt es außer bei einigen Töchtern keinen Betriebsrat. Das Unternehmen war zuletzt wegen über 1500 positiv auf das Coronavirus getesteten Beschäftigten in die Schlagzeilen geraten. Dies war letztlich auch der Anlass für Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), das neue Gesetz auf den Weg zu bringen.

Wie wichtig Betriebsräte sind, betonte Ulrike Reichelt, Betriebsratsvorsitzende beim Oldenburger Schlachthof OGS, der zur Wiesenhof-Gruppe gehört: »Wir freuen uns sehr, dass das Gesetz kommt.« Das Ziel sei eine Belegschaft mit einem Betriebsrat. Bisher gebe es bei Wiesenhof per Betriebsvereinbarung eine Quote von 60 Prozent Werkvertrag und 40 Prozent Stammbelegschaft. Nun verteile die Geschäftsführung Bewerbungsbögen. Das Ziel ist, alle, die das wollen, fest anzustellen. Reichelt schätzt, dass über 90 Prozent der Beschäftigten mit Werkvertrag übernommen werden wollen. Der andere Vorteil: Sie verzeichne etliche Neueintritte in die NGG.

Die Gewerkschaft will in den kommenden Wochen verstärkt vor den Werktoren über das Gesetz informieren, sagte Zeitler. Drohungen der Arbeitgeber, dass das Fleisch teurer werde, Unternehmen abwandern könnten und das Verbot nicht verfassungskonform sei, bezeichnete Zeitler als »Nebelkerzen«. Das Gesetz müsse so aus dem Bundestag kommen, wie es das Kabinett verabschiedet habe. Und das ist noch nicht ausgemacht.

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