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Tu Gutes und rede darüber!
Fast 700 deutsche Städte und Kommunen fördern als »Fairtrade-Towns« den fairen Handel
Theodor Storms »graue Stadt am Meer« ist längst bunt geworden. Wo früher Werft und Hafen lagen, lockt heute eine belebte Flaniermeile. Husum hat jedoch mehr zu bieten: Die Stadt am Rande des Nationalparks Wattenmeer ist seit kurzem »Fairtrade-Town«. Und damit Teil eines Erfolgsprojektes: Im Geschäftsjahr 2019 gaben Verbraucher 1,85 Milliarden Euro für Produkte aus fairem Handel aus, ein Plus von neun Prozent.
»Als Küstenstadt liegt uns der Klimawandel am Herzen, und von der zunehmenden Vermüllung der Meere sind wir unmittelbar betroffen«, berichtet Friedemann Magaard von der Kirchengemeinde, einer der Initiatoren des Projekts. Fairer Handel baut für die Husumer auf drei Säulen auf: Ökonomisch gehe es um stabile Mindestpreise für die Produzenten im globalen Süden, um langfristige Handelsbeziehungen und die Möglichkeit, Ernten vorzufinanzieren. Sozial gehe es um bessere Arbeitsbedingungen. Die dritte Säule sei die Ökologie, etwa durch umweltschonenden Anbau.
»Fairtrade-Towns« bekennen sich dazu, den fairen Handel auf kommunaler Ebene zu fördern. Für das Projekt gibt es in Husum eine breite gesellschaftliche Unterstützung. So lud die Stadt im Januar 2018 zur Auftaktveranstaltung ins Rathaus. Das Interesse war groß, berichtete die örtliche Zeitung. Mittlerweile handeln mehr als 30 Einrichtungen mit fairen Produkten. Neben Bio- und Weltläden gehören dazu auch kommerzielle Platzhirsche wie das Textilhaus C.J. Schmidt oder die Stadtschlachterei Claußen. Dazu kommen Betriebe aus Kunsthandwerk und Gastronomie sowie öffentliche Institutionen wie die Theodor-Storm-Schule. Neben Kaffee, Schokolade und Bananen - den Bestsellern im fairen Handel - gibt es Wein, Blumen und Fußbälle. Wo das alles genau angeboten wird, zeigt ein eigens erstellter Stadtplan.
Husum mit seinen 23 000 Einwohnern ist eher ein kleines Beispiel und ein Spätstarter. Bundesweit gibt es heute 696 Städte und Kommunen, die das Fairtrade-Town-Siegel tragen. Husum stieß im Mai hinzu. Zu den Städten der ersten Stunde zählt in der 2009 gestarteten Kampagne das nicht allzu weit entfernte Hamburg. Berlin hingegen wurde erst 2018 fair (Rang 574).
»Tu Gutes und rede darüber« ist innerhalb des halben Jahrhunderts, in dem es den fairen Handel mittlerweile gibt, zum geflügelten Wort für jedwede Public-Relations geworden. Daran orientiert sich auch der Kölner Verein Transfair, der den Fairtrade-Town-Titel verleiht. In einer neunseitigen Broschüre gibt Transfair den Kommunen Tipps für eine sogenannte Auszeichnungsfeier: »Es wäre doch schade, wenn Ihre Aktivitäten und Aktionen rund um das Thema fairer Handel im Verborgenen blieben.« Besonderes Augenmerk liege auf der Medienberichterstattung.
Nun ist »besser« nicht jedem gut genug. Das Forum Fairer Handel (FFH) kritisiert seit Jahren den sogenannten Mengenausgleich. Wo fair produzierte Rohstoffe nicht reichen, können konventionelle Rohstoffe dazugegeben werden. Transfair begründet dies mit der zunehmenden Vielfalt der Produkte. Was auch mit dem Absatz der Fairtrade-Produkte im konventionellen Einzelhandel zu tun hat. In nur fünf Jahren hat sich der Umsatz verdoppelt. Bei Kakao oder Zucker sei die physische Rückverfolgbarkeit »insbesondere aus logistischen Gründen nicht überall möglich«. Diese Produkte seien entsprechend gekennzeichnet.
Vollkommen faire Lieferketten wünscht das Forum als Dachverband des fairen Handels hierzulande. Ihm gehören Unternehmen an, die 100 Prozent faire Produkte vertreiben, wie Gepa, El Puente oder die Weltläden. Transfair/Fairtrade ist kein Mitglied, kooperiert aber eng. »Wir fordern einen fairen Neustart nach der Covid-19-Krise, der sich an sozialen und ökologischen Kriterien ausrichten muss«, sagte FFH-Geschäftsführer Matthias Fiedler bei der Jahreskonferenz am Mittwoch in Berlin. Das von der Bundesregierung für 2021 geplante Lieferkettengesetz biete dafür eine große Chance. Die bislang präsentierten Eckpunkte sehen die Fair-Händler allerdings noch grau in grau.
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