Zurück in die Zukunft

Fans und Funktionäre streiten über die Gestaltung des Fußballs

»Zukunft Profifußball« - hinter diesem Titel steht die Absicht, aus den Erfahrungen der Coronakrise zu lernen. Dabei kommt es natürlich auf die Perspektive an. Vor mehr als vier Monaten hatte die Deutsche Fußball-Liga die Schaffung einer gleichnamigen Taskforce angekündigt, begleitet mit folgenden Worten von DFL-Chef Christian Seifert: »Wir wollen nicht einfach nur durch die Krise kommen und dann weitermachen wie bisher.« An diesem Donnerstag treffen sich die 36 Erst- und Zweitligaklubs, vorrangiges Thema der virtuellen DFL-Mitgliederversammlung ist das neue medizinisch-hygienische Arbeitsschutzkonzept für die Saison 2020/2021. Von der geplanten Taskforce des Ligaverbandes ist bisher nur bekannt, dass drei Arbeitsgruppen eingerichtet werden sollen. Über Inhalt und Besetzung schweigt sich die DFL weiter aus, auch eine entsprechende nd-Anfrage blieb unbeantwortet.

Ihren Sport wollen auch viele Fans zum Besseren verändern, nicht erst seit der Coronakrise. Wieder einmal sind sie etwas weiter als die meisten Vereinsvertreter und Verbandsfunktionäre. »Aus unserer Sicht fehlt ein glaubhafter Grundsatzbeschluss, mit dem die Richtung vorgegeben wird«, kritisiert Manuel Gaber, Sprecher der Faninitiative »Unser Fußball«, die Planungen zur DFL-Taskforce. Mitte August übergaben Vertreter der Initiative eine Reformerklärung an den Deutschen Fußball-Bund (DFB) und die DFL. Darin werden beispielsweise die Begrenzung des Einflusses von Investoren, die Einführung eines nationalen Financial Fairplays oder eine gerechtere Verteilung des Fernsehgeldes gefordert. Unterzeichnet wurde die Erklärung mittlerweile von 2654 Fanklubs und -gruppen, bundesweiten Organisationen und lokalen Dachverbänden. »Rund eine halbe Million Menschen haben sich schon angeschlossen«, teilte Gaber »nd« mit.

Mitreden und mitgestalten

Der hohe Zuspruch tut den Initiatoren gut. Mit der Arbeit wurde schon vorher begonnen. Auf Grundlage der Reformerklärung von »Unser Fußball« haben Fans aus bundesweiten Organisationen und Initiativen mehr als zwei Monate lang an Ideen und Konzepten gearbeitet. Das Ergebnis trägt nicht zufällig den Namen »Zukunft Profifußball«. Die Initiatoren begründen das wie folgt: »Die DFL hat für September eine Taskforce zur Reform des Profifußballs angekündigt. Darauf haben wir uns vorbereitet. Wir wollen mitreden und durch praktikable Ideen und Lösungskonzepte die Reform des Profifußballs aktiv mitgestalten.« Die Internetseite der Initiative (www.zukunft-profifussball.de) ging am 30. August online. Ab 7. September werden die Konzepte zu vier Themenbereichen veröffentlicht: Fußball als Publikumssport, Integrität des Wettbewerbs, Gesellschaftliche Verantwortung und Vereine als demokratische Basis.

Nahezu wortgleich wie DFL-Chef Seifert erklärt die Initiative »Unser Fußball« ihr Handeln: »Weitermachen wie vor der Krise, darf keine Option sein.« Ähnlich äußerte sich auch DFB-Präsident Fritz Keller, der meint, dass »ein ›Weiter so‹ eigentlich nicht geht«. Einig sind sich die verschiedenen Parteien deshalb noch lange nicht. Allein schon der Name »Unser Fußball« stieß Vereinsverantwortlichen wie Bayern Münchens Karl-Heinz Rummenigge auf. »Etwas anmaßend« fand er ihn und stellte die Frage, wem der Fußball gehöre? »Am ehesten noch denen, die ihn spielen«, antwortete Rummenigge selbst. Jan-Henrik Gruszecki antwortete für die Initiative »Unser Fußball«: »Fans geben sehr viel - vor allem Zeit und Leidenschaft, alles das, was den Fußball zu mehr macht als nur zu einem Sport. Wer das macht, der darf auch mal auf Dinge aufmerksam machen.«

Druck und Gunst der Stunde nutzen

Nicht nur das Interesse, auch die Ausgangslage beider Parteien ist eine andere. Der Profifußball wurde unter großem gesellschaftlichen Druck zu Selbstkritik und Versprechungen gezwungen, die ohne Corona nie gegeben worden wären - und auch bis jetzt nicht mehr als leere Worte sind. Schlimmer noch: Statt die offenbar gewordenen Schwächen des wachstumsorientierten Systems zu minimieren, empfiehlt Rummenigge »Investoren zu gestatten, frisches Geld in die Vereine bringen«. Dass Verantwortliche in Vereinen und Verbänden eher im alten Stil zurück in die Zukunft wollen, zeigt auch Christian Seifert. Vor der Mitgliederversammlung setzte der DFL-Chef am Mittwoch noch mal ein Zeichen, in dem er gegen eine gerechtere Verteilung des Fernsehgeldes argumentierte. So ernüchternd all das ist, die Gunst der Stunde in der Coronazeit könnte manchem Fananliegen nutzen.

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