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Pizza Germania

Velten Schäfer lobpreist den neuen Star im Dax

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 2 Min.

Eine Bekannte italienischer Herkunft war lange von hartnäckigen Vorurteilen gegenüber Deutschland besessen, im Positiven wie im Negativen. Was Letzteres betrifft, ging es, Klischee komm’ heraus, um die Koch-Kompetenz. Die akkurateste Herdarbeit »nach mediterranem Originalrezept« konnte sie nicht davon abbringen, die Zubereitung zumal derjenigen Speisen, die hierzulande unter »Pizza« oder »Tiramisu« firmieren, nach einigen Höflichkeitsfloskeln mit Hohnlachen zu quittieren.

Dem gegenüber stand ein positives Vorurteil von großer Beharrungskraft, das, na klar, »die Wirtschaft« betraf: Zwar ist jene Bekannte gebildet genug, allerlei Klischees über italienischen Schlendrian und chronische Verschwendung kundig zurückzuweisen: Nicht nur, indem sie darlegt, warum Staatsdefizite nicht immer von Übel sind. Sie kann auch vorrechnen, dass Italiens Verschuldungsquote in den 1970er Jahren nicht stärker und in den 1990er sowie 2000er Jahren nur halb so rasch wuchs wie in Deutschland, weswegen das leidige heimatliche Zinskostenproblem auf die 1980er zurückgehe, die in der Landesgeschichte eine Ausnahmesituation darstellten.

Andersherum aber erwies sie sich lange als unbelehrbar: Gewiss, so meinte sie, bestehe auch hierzulande die institutionalisierte Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, doch laufe diese wenigstens halbwegs »seriös« ab! Kein Deutsche-Bank-Subprimekredit-, kein Gammelfleisch- oder Abgasskandal konnte sie jemals hiervon abbringen - und auch kein Versuch gemeinsamer ideengeschichtlicher Aufarbeitung dieses Stereotyps, das via Österreichs »Kronenzeitung« (»Das Spekulantenpack ist schädlich, doch nicht das Kapital, das redlich«) schnell zum Gröfaz führt, der inbrünstig von Tatkraft und Erfindergeist deutscher »Betriebsführer« schwärmte.

So fest saß jenes Klischee in ihrem Kopf, dass auch der jüngst bekannt gewordene Umstand sich nicht als irritierend erwies, dass mit dem Unternehmen Wirecard aufgrund eines frei erfundenen »Asiengeschäfts« eine Bande aalglatter Blender jahrelang von der Regierung hofiert und im Deutschen Aktienindex Dax als »Finanzdienstleister« geführt wurde: Betrüger gebe es halt immer. Und selbst noch die Nachricht, dass Wirecard im Dax nunmehr vom Essenslieferanten Delivery Hero beerbt wird, ging jener Bekannten zunächst noch leichter herunter als der hausgemachte Salami-Pilz-Tomaten-Fladen: Denn wo ungerührt derlei aufgetischt werde, habe ein Pizzaservice wohl offensichtlich Zukunft!

Das Happy End kam erst in Gestalt einer Mascarpone-Bisquit-Amaretto-Pampe, die jene Bekannte veranlasste, scheinbar unbeteiligt auf ihrem Handy herumzufummeln. Dann plötzlich ein Aufschrei, wie ihn nur das Platzen einer Illusion verursachen kann: »Schau mal hier: Delivery Hero nicht mehr am deutschen Markt aktiv, aber ganz groß im, haha, Asiengeschäft«!

Seither ist jene Bekannte nicht nur einsichtig geworden, was die Seriosität des hiesigen Kapitalismus angeht. Sondern auch so milde, der Pizza Germania demnächst eine echte Chance geben zu wollen - wenn freilich auch sicher nicht dem »Tiramisu«.

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