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Eine Linke für Serbien
In Ex-Jugoslawien haben es sozialistische Kräfte schwer. Nun gibt es eine neue Partei
Die Linke im postjugoslawischen Raum ist in Bewegung. In Slowenien erreichte die Partei Levica (Die Linke) bei den Parlamentswahlen 2018 aus dem Stand über neun Prozent. Dass dies kein Einzelfall ist, zeigt Kroatien: Im Juli zog das aus sechs Parteien bestehende links-grüne Bündnis »Možemo!« (Wir können es!) mit über sieben Prozent der Stimmen ins Parlament ein. Und auch in Serbien gibt es nun eine neue linke politische Kraft. Am Wochenende gründete sich die Partei der radikalen Linken (Partija radikalne levice).
Noch vor wenigen Jahren erschien das undenkbar. »Nach den jugoslawischen Zerfallskriegen und der Ära Slobodan Miloševićs galten linke Ideen und Kräfte in der serbischen Gesellschaft überwiegend als diskreditiert«, sagt Jovo Bakić gegenüber »nd«. Der Belgrader Soziologieprofessor ist seit Jahren in der linken Szene aktiv und eines der Gründungsmitglieder der neuen Linkspartei. »Sicher hatte Miloševićs Politik auch sozialistische Elemente«, so Bakić weiter, »er verfolgte aber eine autoritär-nationalistische Politik.«
Erst mit dem Sturz Miloševićs durch die gesellschaftlichen Massenproteste im Jahre 2000 holte Serbien den für ganz Osteuropa typischen Transformationsprozess nach: Fortan verfolgten die Regierungen eine klassisch neoliberale Wirtschaftspolitik - mit weitreichenden Folgen für die gesellschaftliche Linke, die sich exemplarisch an zwei Parteien aufzeigen lässt: In der SPS dominiert seitdem ein »pro-europäischer« Kurs; Ziel ist der EU-Beitritt Serbiens, dafür werden bereitwillig Forderungen aus Brüssel umgesetzt.
Eine andere Entwicklung nahm die »Bewegung der Sozialisten« (PS), eine aus dem Protest gegen die pro-westliche Ausrichtung entstandene nationalistische Abspaltung der SPS. Trotz ihres Namens und der bewussten Symbolik ist die Partei keine linke Kraft, sondern seit Jahren Mitglied der national-konservativen Regierungskoalition unter der Führung der Serbischen Fortschrittspartei (SNS) von Staatspräsident Aleksandar Vučić. Als solche prägt die PS die nationalistische Kulturpolitik und neoliberale Strukturreformen in Serbien aktiv mit. PS-Parteichef Aleksandar Vulin, aktuell Verteidigungsminister, setzte als Arbeitsminister eine radikale Kürzungspolitik durch, die sich strikt an den Vorgaben aus Brüssel orientierte, mit dem Ziel, Serbien fit für den EU-Beitritt zu machen. Dazu gehörten umfangreiche Privatisierungen, die Kürzung staatlicher Sozialausgaben und ein Angriff auf Gewerkschafts- und Arbeitnehmerrechte. Dazu boxte Vulin im Juli 2014 eine Änderung des Arbeitsgesetzbuches und des Streikrechts durch, das den serbischen Arbeitsmarkt flexibilisiert und die staatliche Orientierung auf ausländische Direktinvestitionen vertieft. Für die Gewerkschaften wurde Vulin damit zu einem regelrechten Feindbild. Die Proteste gegen das Gesetz mündeten in einen Generalstreik am 17. Juli 2014, der auch vom Internationalen Gewerkschaftsbund (ITUC) unterstützt wurde. Vor seiner Zeit als Minister war Vulin Chefredakteur des Wochenmagazins »Pečat« (Der Stempel), das unter seiner Verantwortung nationalistische, xenophobe, homophobe und klerikale Positionen vertrat und Kriegsverbrecher wie Radovan Karadžić und Ratko Mladić unterstützte.
All das hält jedoch einige Mitgliedsparteien der Europäischen Linkspartei (EL) nicht davon ab, Beziehungen zur PS zu unterhalten, darunter Teile der griechischen Linkspartei Syriza, des Bloco de Esquerra (Portugal) sowie einzelne Bundestagsabgeordnete der Linkspartei. Das serbische Onlinenachrichtenportal B92 berichtete Anfang August von einem Brief der stellvertretenden Vorsitzenden der Südosteuropäischen Parlamentariergruppe Żaklin Nastić an Vulin, indem sie erklärt, die Linkspartei werde »die europäische und deutsche Öffentlichkeit immer an die illegale Bombardierung der Bundesrepublik Jugoslawien und die Verbrechen der Nato-Kräfte sowie der albanischen Extremisten am serbischen Volk erinnern«. Anschließend wünscht Nastić Vulin und der Partei PS weiter viel Erfolg im politischen Kampf, berichtet das Portal weiter.
So wichtig die Kritik an der völkerrechtswidrigen Bombardierung Jugoslawiens ist, warum schreibt Nastić dies ausgerechnet dem serbischen Verteidigungsminister, der öffentlich gezielte rassistische Hetze gegen Kosovaren, Muslime oder Kroaten betreibt und den autoritären Regierungskurs aktiv mitprägt? Und warum zeigt sie sich solidarisch mit der Politik der PS, die den Werten der Linken diametral gegenübersteht?
Der Brief sei eine Antwort auf ein Schreiben der PS, antwortet Nastić auf Nachfrage von »nd«. Die geäußerte Vermutung, es handle sich um ein Solidaritätsschreiben an die serbische Regierung, weist sie als »nicht gutwillige Unterstellung« zurück. Stattdessen habe sie sich mit dem von der Nato bombardierten serbischen Volk solidarisiert. Die im Onlineportal gemachten Aussagen, sie wünsche der PS in ihrem politischen Kampf viel Erfolg, habe sie nicht getätigt. »Ob dies einer falschen Übersetzung (mein Antwortschreiben war in Englisch verfasst), schlechtem Journalismus oder anderen Umständen geschuldet ist, weiß ich nicht.« Die Bitte, das Schreiben vorzulegen, um zu klären, wie es zu der Verfälschung der Aussagen kommen konnte, wies die Abgeordnete jedoch aus »datenschutzrechtlichen Gründen« zurück.
Vulin ist in der Linkspartei kein Unbekannter. Die Abgeordneten Inge Höger und Alexander Neu trafen ihn laut einem Reisebericht vom April 2013 und erwähnten dessen Kontakte zur extremen Rechten. Die »Bewegung der Sozialisten« ist »kein Kooperationspartner für Die Linke«, heißt es dort. Ungeklärt bleibt zudem, wie die Kontakte Nastićs zur PS konkret aussehen. Auf Nachfrage bestätigt sie nur, keinen direkten persönlichen Kontakt mit Regierungsvertretern oder deren Parteipolitikern gehabt zu haben. Die Frage, zu welchen Akteuren der serbischen Linken sie Kontakt habe, beantwortete sie nicht.
Krunoslav Stojaković, Leiter des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Serbien, kritisiert die Kontakte der Linkspartei zu Vulin, auch wenn sie nur von Einzelpersonen kommen. »Vor allem die sozialistische Linke in Serbien ist angesichts solcher indiskutablen Anbiederungen an Vulin irritiert, engagiert sie sich doch seit über zwei Jahrzehnten schon gegen das nationalistische Erbe von Slobodan Milošević und seinem Adjutanten Vulin«, sagt er zu »nd«. Die Linke diene linken Akteuren im postjugoslawischen Raum »als ein positives Beispiel organisationspolitischer und inhaltlicher Entwicklung«, so Stojaković weiter. »Hinwendungen zu einem Akteur wie Aleksandar Vulin und seiner Phantompartei ›Bewegung der Sozialisten‹ wirken sich daher sehr schädlich auf das Ansehen der Linkspartei in der Region aus.«
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