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Hoffnung auf Gerechtigkeit
Fast 29 Jahre nach Brandanschlag auf Flüchtlingsheim in Saarlouis hat die Bundesanwaltschaft neue Ermittlungen aufgenommen
Am 19. September 1991 kam Samuel Yeboah aus Ghana nach einem Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Saarlouis-Fraulautern (Saarland) ums Leben. Der aus Ghana Geflüchtete hatte zuvor noch mehrere Bewohner*innen gerettet. Dabei erlitt der 27-Jährige selbst so schwere Verletzungen, dass er noch in derselben Nacht im Krankenhaus starb. Die Umstände wurden nie aufgeklärt. Das Strafverfahren wurde im August 1992 eingestellt, weil sich keine Täter*innen ermitteln ließen.
Fast 29 Jahre später wurden die Ermittlungen wieder aufgenommen. Weil es sich um eine politisch motivierte Tat handeln könnte, hat die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe die Ermittlungen übernommen. Sie stützt sich auf neue Erkenntnisse. Details zu diesen wollen die Behörden aus ermittlungstaktischen Gründen nicht geben. Samuel Yeboah wird bis heute offiziell nicht zu den Opfern rechter Gewalt gezählt. Die Polizei hatte betont, sie ermittle in alle Richtungen und wollte auch eine Beziehungstat nicht ausschließen. Dabei sprach der Tathergang von Anfang an für einen rassistischen Hintergrund.
Unbekannte hatten damals Benzin in das Treppenhaus des ehemaligen Hotels gegossen, in dem 19 Geflüchtete untergebracht waren. Das Gebäude brannte völlig aus. Yeboah starb, zwei weitere Bewohner zogen sich schwere Verletzungen zu, als sie auf der Flucht vor den Flammen aus dem Fenster sprangen. Nur zwei Tage vor dem Anschlag hatten die pogromartigen Ausschreitungen vor einer Flüchtlingsunterkunft im sächsischen Hoyerswerda bundesweit für Entsetzen gesorgt. Während rassistische Angriffe auf dem Gebiet der ehemaligen DDR bis heute im Gedächtnis geblieben sind, war der Anschlag in Saarlouis außerhalb der Stadt bald vergessen. Dabei hatten wenige Tage nach dem Anschlag im Saarland Tausende gegen Rassismus demonstriert. Der Liedermacher Wolf Maahn widmete den Song »Samuel« dem Opfer des Anschlags von Saarlouis.
Jahrelang forderten antirassistische Initiativen im Saarland, dass der Anschlag aufgeklärt wird. Zu dessen zehntem Jahrestag hatte das »Antifaschistische Bündnis Saar« am 19. September 2001 in Saarlouis eine Gedenkkundgebung unter dem Motto »Kein Opfer ist vergessen« veranstaltet. Im Anschluss wurde an der Rathausfassade der Stadt ein Gedenkstein für Samuel Yeboah angebracht. Die Stadtverwaltung ließ ihn umgehend abmontieren und strengte ein Verfahren wegen Sachbeschädigung gegen den Anmelder der Kundgebung an. Nach mehrjährigem juristischen Streit wurde er zu einer Schadenersatzzahlung von 134,50 Euro an die Stadt Saarlouis verurteilt.
Fast 30 Jahre später könnte die Forderung der Antifa Saarlouis, dass der rechte Hintergrund der Tat anerkannt und ein offizieller Gedenkort für Samuel Yeboah eingerichtet wird, doch noch umgesetzt werden. Bisher erinnert nur ein kleiner Gedenkstein auf dem Friedhof »Neue Welt« an ihn.
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