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Ein Spieltag für 100 Millionen Euro

Wie Europas Fußballverband mit der Nations League seine Mitgliedsländer finanziert

  • Frank Hellmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Es sind ähnliche Bilder, die dieser Tage aus der Nations League übermittelt werden - ob aus der Johan Cruyff-Arena in Amsterdam, im Parken-Stadion von Kopenhagen oder der Friends Arena in Solna bei Stockholm: Großflächig sind Banner in den Farben der Nationaltrikots über die Tribünen gespannt, auf denen auch die Sponsoren prangen. Das bringt einen doppelten Effekt: Die leeren Plätze fallen nicht so sehr auf und die Werbeträger kommen ins Fernsehen. Die Uefa hat wegen der Coronakrise nirgendwo Zuschauer erlaubt, selbst wenn das Infektionsgeschehen beherrschbar wirkt wie in Torshavn auf den Färöer Inseln oder in Reykjavik auf Island. Bloß keinen Spielausfall riskieren. Denn das würde sehr viel Geld kosten.

»Die Uefa ist kein Klub, sondern der Verband der Landesverbände. Es käme uns teuer zu stehen, wenn wir eine Nations-League-Runde absagen müssten«, hat Martin Kallen, der EM-Turnierdirektor, in einem NZZ-Interview gesagt. Der internationale Fußball ist so hoch geflogen, dass der Sturz in einer Krise umso heftiger sein kann. Jeder Spieltag sei inzwischen mehr als 100 Millionen Euro wert, führte der Schweizer aus, der seit einem Vierteljahrhundert für die Uefa tätig ist. »Wenn wir keinen Ersatz finden, müssen wir das den TV-Anstalten zurückerstatten.« Und das hätte teils verheerende Folgen für die Nationalverbände, von denen viele längst am Tropf der garantierten Erlöse aus der Zentralvermarktung ihrer Länderspiele hängen.

Das betrifft selbst so reiche Nationen wie die Schweiz: Der Schweizerische Fußballverband hat seine Einnahmen in den vergangen zehn Jahren um 70 Prozent auf 72 Millionen Schweizer Franken (67 Millionen Euro) gesteigert. Ursächlich dafür verantwortlich sind Zuwendungen und Prämien von Fifa, aber vor allem der Uefa. Mit dem Geld werden nicht nur die Spieler der A-Nationalmannschaft hofiert, sondern auch der Frauen-, Jugend- und Amateurfußball sowie Programme und Projekte organisiert, die sich in der Pandemie nicht einfach über Nacht einstampfen lassen. Jede fehlende Million trifft solche Verbände ins Mark.

Die Uefa steht noch aus einem anderen Grund unter Druck: Wie Kallen erläuterte, habe man allein durch die Verschiebung der EM »mehrere hundert Millionen Euro« verloren. Das Geld sei von den Reserven in Höhe von einer halben Milliarde Euro genommen worden. Das ins Jahr 2021 verlegte Turnier soll laut dem 56-Jährigen annähernd die 2,1 Milliarden Euro generieren, die zuvor eingeplant waren. »Die Verbände sollten auf wenig bis nichts verzichten müssten. Das ist die Messlatte.«

Die Nations League wurde 2018 vor allem auf Druck der mittelgroßen und kleineren Verbände eingeführt, die ihre Freundschaftsspiele nur schlecht vermarkten konnten. Wie der Finanzreport 2018/2019 der Uefa ausweist, schnellten die Erträge aus Wettbewerben der Nationalteams ad hoc von zuvor 280 auf 604 Millionen Euro in die Höhe. An Gesamteinnahmen verbuchte Europas Fußballverband stolze 3,85 Milliarden Euro: Davon kamen 3,2 Milliarden Euro aus den Vereinswettbewerben (Champions League und Europa League), größter Zahlmeister waren die Fernsehanstalten mit 3,3 Milliarden Euro.

Die Nations League schlägt für die Uefa gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe: Zum einen stärkt sie die Bindung zwischen Mitgliedern und Dachorganisation. Zum anderen sorgt sie dafür, dass die Nationalteams nicht mehr nur alle vier Jahre durch eine Europameisterschaft einen signifikanten Erlös einspielen. Zudem lindert es die Abhängigkeit von der boomenden Champions League.

Für die Vermarktung aller EM-Qualifikationsspiele, Nations-League-Partien sowie der WM-Qualifikationsspiele in ihrem Hoheitsgebiet rechnet die Uefa zwischen 2018 und 2022 mit Einnahmen von 1,99 Milliarden Euro. Zum Vergleich: In den vier Jahren zuvor waren es noch 1,03 Milliarden Euro. Die neuen Begegnungen mit dem Nations-League-Logo helfen also, die Erträge mal locker zu verdoppeln. Allein in der Saison 2018/2019 schüttete die Uefa davon 551,6 Millionen Euro an die Landesverbände aus. Daher machen alle 55 Nationen bei einem sportlich immer noch fragwürdigen Format mit. Kallen erklärt das Verteilungsmodell so: »Je nach Größe erhalten die Verbände von der Uefa ein Fixum oder einen Prozentsatz. Im Verhältnis verdienen die kleinen Verbände mehr als die großen.«

Aber: Deutschland, England oder Frankreich hätten kaum zugestimmt, wenn nicht auch bei ihnen genug hängen bleiben würde. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) nahm 2019 für seine A-Nationalmannschaft 60 Millionen aus der Fernsehvermarktung und der Nations League ein. Im DFB-Finanzbericht heißt es dazu: »Sämtliche Spiele der A-Nationalmannschaft werden durch die Uefa zentral vermarktet. Der DFB erhält für die Überlassung der Vermarktungsrechte pauschale Zahlungen der Uefa.«

Bundestrainer Joachim Löw mag über sportlich wenig sinnvolle Länderspiele schimpfen: Selbst für den noch mit reichlich Rücklagen ausgestatteten DFB sind »Länderspiele eine Art wirtschaftliche Lebensversicherung«, wie Generalsekretär Friedrich Curtius gern betont. Daher soll es auch aus deutscher Sicht in der Nations League unbedingt weitergehen, notfalls bis in den Herbst mit Geisterspielen. Interessant, dass Kallen allerdings einschränkte, man könne sich nicht ewig in einer Blase mit Schutzkonzepten und Isolation aufhalten: »Lange können wir das nicht so durchziehen. Es wird irgendwann einen Impfstoff geben müssen.«

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