An einem Tag durch Leipzigs Küche

Allerlei Süßes: Die Messestadt begeistert ihre Gäste vor allem mit üppigen Leckereien.

  • Steven Hille
  • Lesedauer: 4 Min.

Auf Reisen sind wir stets bemüht, die lokalen Spezialitäten auszuprobieren. Im Italien-Urlaub gibt es Pasta und Tiramisu und in Griechenland gerne mal Tzatziki. Während ich durch die Straßen Leipzigs schlendere, denke ich über die Spezialitäten der sächsischen Großstadt nach. Das Thema kam mir recht spontan in den Sinn. Denn gleich neben meinem Hostel las ich im Stuck des Nachbargebäudes »Zum Arabischen Coffe Baum«.

Von alten Kaffeeschänken und dem Melitta-Patent

Tipps

Süßes: Die beste Auswahl traditioneller Süßspeisen gibt es im Café Kandler am Thomaskirchhof 11, im Café Corso in der Brüderstraße 6 und im Kaffeehaus Riquet am Schuhmachergäßchen 1.

Deftig: Die sächsische Küche kann auch deftig. Empfehlenswert zum Beispiel das Gasthaus Bayerischer Bahnhof am Bayerischen Platz, die Gosenschenke »Ohne Bedenken« in der Menckestraße 5, der Auberbachs Keller in der Mädler-Passage und das Restaurant Pilot (Bosestraße 1).

Nach kurzem Nachforschen fand ich heraus, dass sich an dieser Stelle mal ein Leipziger Kaffeehaus befand. Es zählte zusammen mit einem Café in Paris zu den ältesten Kaffeeschänken in Europa und wurde bereits 1556 erstmals erwähnt. Seitdem sind die Sachsen für ihre Liebe zum Kaffee bekannt. Selbst die Kaffeefiltertüte wurde in Sachsen erfunden. Die Idee dazu hatte Melitta Bentz 1908. Dutzende Kaffeehäuser entstanden in dieser Zeit in Leipzig. Bei den Touristen ist heutzutage das Café Riquet beliebt, das bei einem Spaziergang durch die Innenstadt auffällt, weil zwei Elefantenköpfe imposant über dem Eingang posieren. Im Riquet bekommt man einige dieser Spezialitäten vergangener Zeiten, wie die Leipziger Lerchen.

Leipziger Lerchen: Gebäck statt gebackener Singvögel

Seit dem 18. Jahrhundert gibt es die Lerchen in Leipzig. Und leider steckte lange Zeit auch drin, was der Name vermuten lässt. Die Singvögel waren eine beliebte Delikatesse bei den wohlhabenden Leipzigern. Sie wurden mit Kräutern und Eiern gebacken und auf Sauerkraut serviert. Mit der Zeit empörten sich immer mehr Menschen, so dass der sächsische König im Jahr 1876 die Lerchenjagd verbot. Danach waren es clevere Bäcker, die eine süße vegetarische Version der Lerchen entwickelten. Leipziger Lerchen bestehen seit dem aus einem Mürbeteig, der mit Marzipan und Marmelade gefüllt wird.

Bachtaler vor der Thomaskirche

Zwei andere Leipziger Spezialitäten bekomme ich im Café Kandler serviert. Das Café liegt direkt vor der Thomaskirche, die als Heimat des mehr als 800 Jahre alten Thomanerchors sowie durch das Wirken von Johann Sebastian Bach bekannt ist. Zum 250. Todestag Bachs (1999) erfand der Leipziger Konditor René Kandler den Bachtaler. »Er ist gefüllt mit einer Ganachecreme aus Sahne und Buttercreme, hat im Inneren einen Haselnussmürbeteig mit einer Kaffeebohne und ist mit Kuvertüre umhüllt«, betet der flinke Kellner seinen Text herunter, als würde er jede Stunde diese Frage beantworten. Er serviert die Bachtaler direkt aus dem Kühlschrank. Inzwischen gibt es fünf Niederlassungen des Café Kandler in Leipzig und Umgebung.

Auch einen Klassiker, der schon Goethe während seiner Studentenjahre in Leipzig verzauberte, bietet das Café: Leipziger Räbchen. Sie bestehen aus Pflaumen, sind mit Marzipan gefüllt und in Eierkuchenteig gebacken. Doch damit noch nicht genug. Nach dem Backen werden die Räbchen in Zimt und Zucker gewälzt und mit Vanillesoße heiß serviert. Ein Fest für alle Zuckerjunkies.

Allasch und Gose

Als Verdauungsschnaps wird in Leipzig gerne der Allasch getrunken. Dabei handelt es sich um einen baltischen Kümmellikör, der 1830 auf der Messe in Leipzig vorgestellt wurde. Die Spirituose aus Livland gefiel den örtlichen Destillerien so sehr, dass sie ihn bald selbst herstellten. Obwohl Allasch einen hohen Alkoholgehalt von 38 bis 40 Prozent hat, zählt er wegen seines hohen Zuckergehalts zu den Likören. Probieren kann man ihn in der Brauerei am Bayerischen Bahnhof. Hier wird der Allasch gerne zu einer Leipziger Gose gereicht, einem Bier, dass der Berliner Weiße ähnelt.

Der Kopfbahnhof, der im zweiten Weltkrieg zerstört wurde, stand lange Zeit leer, ehe sich die nun ansässige Brauerei einmietete und nun neben dem Bierbrauen auch damit beschäftigt ist, Gäste im Restaurant und im Biergarten zu verköstigen und Brauereiführungen anzubieten. Dabei lernt man unter anderem, dass die Leipziger Gose obergärig gebraut wird. Dabei werden neben der alkoholischen Gärung noch Milchsäurebakterien hinzugegeben, so dass eine Milchsäuregärung parallel stattfindet. Das gibt dem Bier seinen säuerlichen und im Sommer sehr erfrischenden Geschmack. Als weitere Besonderheit wird der Leipziger Gose Salz und Koriander hinzugefügt. Man kann das Bier pur trinken oder mit Sirup geschmacklich verändern.

Sauerbraten, Zander und Leipziger Allerlei

Soll es dann doch noch etwas Deftiges am Abend sein, so bietet das Gasthaus im Bayerischen Bahnhof einen Sächsischen Sauerbraten sowie gebratenen Zander mit Leipziger Allerlei an. Leipziger Allerlei ist der Legende nach am Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden, um die Stadt vor Bettlern und Steuereintreibern zu schützen. Um die reiche Messestadt weniger wohlhabend darzustellen, wurde statt üppiger Fleischgerichte viel Gemüse serviert. Das perfekte Alibi, um jemandem vorzumachen, man sei arm. Genauso ist das Allerlei nach all den Süßigkeiten ein perfektes Alibi. Fisch mit Gemüse! So kann man sich einreden, man hätte den ganzen Tag gesund gegessen.

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