Unheilvolle Stagnation

Stefan Otto über das Versagen einer europäischen Asylpolitik

Wer sich zuerst bewegt, hat verloren. So könnte die Taktik der europäischen Regierungen lauten. Schon seit Jahren stagniert der Versuch einer Reform der EU-Asylpolitik. Strittig ist vor allem der Punkt einer Verteilung der Geflüchteten. Das, was innerhalb Deutschlands selbstverständlich ist, scheitert im europäischen Rahmen, weil sich viele Staaten weigern, Migranten aufzunehmen. Auch jetzt, nach dem verheerenden Brand in Moria, herrscht Stillstand: Zwar gibt es in Deutschland den zivilgesellschaftlichen Aufruf und auch die Bereitschaft vieler Kommunen und Bundesländer, einen guten Teil der obdachlos gewordenen Asylsuchenden aus Lesbos aufzunehmen, doch zeigt sich die Bundesregierung bislang nicht dazu bereit, diesen Appellen zu folgen.

Ein deutscher Alleingang sei hinderlich im Blick auf eine europäische Lösung, heißt es seitens der Union. Die Angst ist offenbar groß, dass sich eine Situation wie 2015 wiederholt, als Hunderttausende nach Mitteleuropa flohen. Dabei ist die Lage jetzt eine andere: Es handelt sich um eine konkrete Anzahl von knapp 13 000 Menschen, und es ist beschämend, dass es innerhalb der EU noch immer keine Initiative gibt, ihnen zu helfen. Wieder wird nur um viel zu kleine Kontingente geschachert, um ein humanitäres Gesicht zu wahren. Was für ein Trauerspiel!

Unweigerlich entsteht der Eindruck, als sei auch die Bundesregierung nicht willens, eine Reform der europäischen Asylpolitik voranzubringen. Obwohl sie dies zur Übernahme der deutschen Ratspräsidentschaft bekundet hatte. Einigkeit mag es zwar bei der Hilfe für Transit- und Herkunftsländer oder der stärkeren Sicherung der EU-Grenzen geben. Aber der Knackpunkt bleibt die Verteilung der Geflüchteten. Da Hotspots aktuell in Südeuropa liegen, sieht die Regierung womöglich - so schändlich das auch wäre - keine sonderliche Dringlichkeit zum Handeln.

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