Lehren aus Corona
EU will für Krisen vorsorgen und bei Gesundheit mehr mitreden
Mehr Kompetenzen auf EU-Ebene in Gesundheitsfragen hat die Kommissionschefin der Europäischen Union, Ursula von der Leyen, in ihrer staatstragenden Rede am Mittwoch vor dem Europäischen Parlament gefordert. Gleichzeitig betonte die Politikerin, dass man sich noch mitten in einer Pandemie befinde. Trotz des Rückgangs der Zahl der schweren Krankheitsfälle und der Toten im Zusammenhang mit Covid-19 in Europa sieht sie keine Anzeichen für ein Nachlassen der Pandemie. Denn die Infektionszahlen könnten wieder deutlich ansteigen und schnell außer Kontrolle geraten, warnte die Präsidentin der EU-Kommission.
Um der Entwicklung solcher Krisen künftig nicht hinterherzulaufen und abgestimmt auf sie reagieren zu können, soll die EU von der Leyen zufolge zügig Vorsorge treffen: »Für mich liegt klar auf der Hand: Wir müssen eine stärkere Europäische Gesundheitsunion schaffen, es ist Zeit.« Dabei müsse auch über »die Frage der Gesundheitskompetenzen« diskutiert werden, die derzeit vor allem bei den Mitgliedstaaten liegen. Das sei eine lohnende und dringende Aufgabe für die geplante Konferenz über die Zukunft Europas.
Als ersten Schritt schlug von der Leyen zur Stärkung der Krisenvorbereitung und des Krisenmanagements einen Ausbau der EU-Behörde ECDC vor. Das 2004 eingerichtete Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten ist für die Ermittlung und Bewertung der Risiken übertragbarer Krankheiten zuständig, besitzt in der Europäischen Union bisher aber keine eigenen Regelungskompetenzen.
Deutlich warnte von der Leyen in ihrer Rede vor »Impfstoff-Nationalismus«, der Leben in Gefahr bringe. Konkret schlug die Kommissionschefin eine neue EU-Agentur für biomedizinische Forschung und Entwicklung vor. Zudem drängte sie das Europaparlament, mehr Mittel für das Gesundheitsprogramm »EU4Health« auszuhandeln. Die EU hat sich dazu verpflichtet, die physische und psychische Gesundheit der Bürger in allen Politikbereichen zu berücksichtigen, Krankheiten vorzubeugen und die öffentliche Gesundheit zu verbessern. Das EU-Gesundheitsprogramm legt dafür die Strategie fest. Eine gesunde Bevölkerung wird als Grundvoraussetzung für eine »intelligente, nachhaltige und inklusive EU-Wirtschaft« und Wachstum betrachtet. Zum Programm zählen auch die Bereitschaftsplanung und der Umgang mit schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren. Nach den Vorstellungen des Europäischen Rats als Gremium der Staats- und Regierungschefs der EU sollte auch das Leitprogramm Gesundheit im langfristigen EU-Haushalt für die Jahre 2021-2027 Mittel gestrichen bekommen. Bei Gesundheitsexperten und im Europäischen Parlament waren diese Pläne auf Widerstand gestoßen.
Auch im Weltmaßstab sieht von der Leyen die Notwendigkeit, auf dem Gebiet der Gesundheit enger zusammenzuarbeiten. Die Kommissionschefin verwies darauf, dass die EU nun gemeinsam die Entwicklung von Impfstoffen vorantreibe und Lieferverträge mit Herstellern schließe. »Aber es reicht nicht aus, einen Impfstoff zu finden«, sagte sie. »Wir müssen dafür sorgen, dass die europäischen Bürger und auf der ganzen Welt Zugang dazu haben.«
Im kommenden Jahr soll ein globaler Gesundheitsgipfel abgehalten werden, um auf internationaler Ebene die Lehren aus der Pandemie zu ziehen. Er soll unter der italienischen G20-Präsidentschaft in Italien stattfinden. Agenturen/nd
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