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Vom Sozialisieren der Menstruation
Verein sammelt Periodenprodukte für obdachlose Frauen
Die Spenden reichen bis zum Rand der Bananenkiste, die Daisy Rüb zum Eingang des Vereins Straßenfeger trägt. Die doppelt gesicherte Eingangstür der Notunterkunft wird von einem freundlich lächelnden Ehrenamtler geöffnet. Etwas verdutzt will er wissen, warum die Box mit Binden, Tampons, Duschbad und Zahnbürsten, ja sogar Menstruationsschwämmchen gefüllt ist. »Ich bin vom Verein Social Period und bringe Spenden vorbei. Wir setzen uns gegen Periodenarmut ein«, erklärt die 26-Jährige. Es gehe darum, dass viele obdachlose Menstruierende weder Zugang zu Periodenprodukten noch Toiletten- und Sanitäranlagen haben. Die Irritation des Mannes ist verschwunden: »Ah, ick versteh schon worum es geht. Danke«, sagt er locker und trägt die Kiste in die Spendenkammer.
Höheres Gesundheitsrisiko bei Periodenarmut
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Betroffene Personen leben mit einem doppelten Stigma, weil sie erstens auf der Straße leben und zweitens, weil sie menstruieren. Nach Zahlen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe liegt der Frauenanteil bei Obdachlosen in Deutschland bei etwa einem Drittel (27 Prozent). Demnach leben mindestens 59.000 Frauen auf der Straße. Die Angabe berücksichtigte jedoch nicht die Anzahl wohnungsloser Geflüchteter. Der fehlende Zugang zu Periodenartikeln kann sogar gefährlich werden, da oft Ersatzgegenstände wie Zeitungspapier, Socken oder alte Lappen benutzt werden, um die Blutung aufzufangen. Das ist nicht nur unhygienisch, sondern kann zu gesundheitlichen Problemen wie dem toxischen Schocksyndrom oder anderen Infektionen führen.
Verein sammelt gespendete Periodenprodukte
Mit ihren Spendenboxen will der Verein Social Period etwas gegen die Periodenarmut tun. Die Boxen sind seit Juli am Eingang dreier Edeka-Filialien in Berlin zu finden. Sowohl im Kassen- als auch Kosmetikbereich stehen Schilder, die um Sachspenden in Form von Menstruations- und Hygieneartikeln bitten. Im Edeka in der Hansastraße in Hohenschönhausen ist die Ausbeute dieses Mal üppig. Außer Periodenprodukten wurden auch andere alltägliche Hygieneartikel gespendet. Zwei weitere Spendenboxen stehen in der Grenzallee in Neukölln und in der Genthiner Straße in Berlin-Tiergarten.
Viele Obdachlose bevorzugen Binden anstatt Tampons, da sie nicht immer Zugang zu einem Waschbecken haben, um sich zur Tamponbenutzung die Hände zu waschen, erklärt Rüb. Produkte wie Menstruationstassen oder waschbare Unterwäsche sammeln zwar Pluspunkte beim Thema Nachhaltigkeit, sind aber für obdachlose Frauen unpraktisch, da sie regelmäßig ausgewaschen werden müssen.
Aufmerksam auf die Ungerechtigkeit beim Thema Menstruation wurde Vereinsgründerin Katja Dill letztes Jahr, als sie im Rahmen eines Seminars der Universität Hamburg Notunterkünfte für obdachlose Menschen besuchte. Dort habe sie zum ersten Mal von Periodenarmut erfahren und ganz starken Handlungsbedarf erkannt. Sie wollte aktiv werden und gründete gemeinsam mit Undine Mothes im Mai 2019 den Verein. Seitdem kommen immer mehr neue Mitglieder hinzu.
Mindestens einmal im Monat leeren Freiwillige wie Daisy Rüb die Boxen und bringen die Spenden dann in Einrichtungen. Dieser eher komplizierte Prozess des Spendens ist beabsichtigt: Denn die Boxen schaffen auch Aufmerksamkeit für das Thema Periodenarmut. Der Denkvorgang und die Spendenerfahrung seien anders, wenn das Produkt selbst ausgewählt und eingekauft wird, so Rüb. Menschen, die einfach nur einen Button im Internet klicken müssen, um Geld zu überweisen, setzen sich oft nicht so viel mit dem Thema auseinander.
Dass sich der Verein besonders Periodenarmut in der Obdachlosenhilfe widmet, liegt daran, dass dem Thema bisher wenig Aufmerksamkeit zuteil geworden ist. Periodenarmut bei obdach- und wohnungslosen Menschen sei nahezu unbekannt, auch in der Politik habe es laut Aktivistin Rüb bisher wenig Gehör gefunden.
Aufklärungsarbeit auf Instagram
Um für die Problematik Periodenarmut mehr Sichtbarkeit zu schaffen, widmet sich der Verein auch der Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit. Auf der Social Media Plattform Instagram erreichen sie eine breite Masse und posten regelmäßig relevante Inhalte wie Aufklärungsvideos oder Kurzinterview mit anderen Aktivist*innen. Derzeit sammeln sie Spenden für den Bau neuer Boxen über eine Crowdfunding-Initiative. Die anvisierten 2000 Euro wurden längst vor Ablauf des Finanzierungszeitraumes erzielt. Mit Herstellungskosten von 50 Euro pro Box werden in Zukunft wesentlich mehr Spendenmöglichkeiten in Berlin zu finden sein.
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