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Konzernrettung statt Bekämpfung von Kinderarmut
Eine bundesweite Demonstration will auf die Notwendigkeit einer Kindergrundsicherung aufmerksam machen
Wir sollten jetzt nicht mehr diskutieren ob, sondern wie viel Kindergrundsicherung es geben muss - und diese dann endlich umsetzen, fasst Sarah-Lee Heinrich die zentrale Forderung der bundesweiten Demonstration gegen Kinderarmut zusammen. »Es liegen inzwischen unterschiedliche Konzepte von verschiedenen Akteuren aus Politik und Gesellschaft zur Kindergrundsicherung vor«, erklärt Heinrich, die Mitinitiatorin der Demonstration ist.
Eine Gruppe Frauen, die »im eigenen Leben immer wieder mit Ungerechtigkeiten konfrontiert waren und sind« sowie die Mütterinitiative für Alleinerziehende (MIA) organisieren die am Samstag, einen Tag vor dem Weltkindertag, in Berlin stattfindende Demonstration. Ihr Aufruf erfährt breite Unterstützung: Unter anderem vom Bundesverband alleinerziehender Mütter und Väter, vom Bundesverband Volkssolidarität, der Linksjugend und von den Grünen. Mit von der Partie sind aber auch Einzelpersonen wie die Linke-Vorsitzende Katja Kipping und der Linke Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch.
Erst im Juli hatte die Bertelsmann Stiftung eine Studie veröffentlicht, laut der in Deutschland mehr als jeder fünfte Heranwachsende in Armut aufwächst. Die Analyse kam auch zum Schluss, dass die Coronakrise das Problem noch weiter verschärfen könnte. Laut den Initiatorinnen der Demonstration haben während des Lockdowns fünfmal mehr Frauen als Männer ihre Jobs verloren. Das Armutsrisiko von Alleinerziehenden, zu 90 Prozent Frauen, steige seit Jahren kontinuierlich. »All das führt dazu, dass sich auch die Situation für Kinder immer weiter verschärft«, sagt Stefanie Ponikau, stellvertretende Bundesvorsitzende von MIA.
Neben den 2,8 Millionen Heranwachsenden, die bereits in Armut leben, steigt in Deutschland zudem die Anzahl der Kinder und Jugendlichen, die von Armut bedroht sind. Das hat eine am Donnerstag veröffentlichte Auswertung der Linken-Politikerin Sabine Zimmermann ergeben. Sie analysierte anhand von Daten der EU-Statistikbehörde Eurostat, dass die Armutsgefährdungsquote der unter 18-Jährigen von 12,4 Prozent im Jahr 2006 auf 14,5 Prozent im Jahr 2018 angestiegen ist.
Neben einer Kindergrundsicherung wird in dem Demonstrationsaufruf auch die Abschaffung von Hartz-IV-Sanktionen sowie eine Anhebung der Regelsätze gefordert. »Um Kinderarmut zu bekämpfen, müssen wir auch die Eltern aus der Armut holen.« Da nicht nur erwerbslose Familien in Armut leben, fordern die Initiatorinnen auch einen höheren Mindestlohn »der zum Leben und fürs Alter reicht«. Die Coronakrise hätte die Situation bereits zusätzlich verschärft.
Viele Menschen bekommen Kurzarbeitergeld oder müssen in systemrelevanten Berufen lange Schichten leisten, um am Ende dennoch kaum Geld zum Überleben zu haben. »Beifall bezahlt aber keine Miete«, stellt Mitinitiatorin Fee Linke fest. Die Krise zeige mit aller Deutlichkeit die Ungerechtigkeiten auf, die bisher lange versteckt gewesen seien. »Carearbeit wird seit jeher abgewertet und entweder unter- oder gar nicht bezahlt. All das führt zu Armut - und die ist oft weiblich.« Deshalb spielt auch die Anerkennung von Sorgearbeit bei der Demonstration eine Rolle: Die Initiatorinnen wollen, dass »Menschen, die sich zu Hause um andere Menschen kümmern, sie großziehen und pflegen, nicht mit Armut bestraft werden.«
Eine am Donnerstag veröffentlichte Umfrage von YouGov Deutschland und dem Sinus-Institut gibt einen Hinweis darauf, dass die Forderung nach einem entschlossenen Handeln gegen Kinderarmut von der Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen wird. Die Umfrage kommt zum Ergebnis, dass 69 Prozent der Befragten bei Kinderbetreuungsplätzen, der Gleichheit von Bildungschancen und dem Schutz vor Kinderarmut die Politik auffordert, etwas zu unternehmen.
Ponikau fasst zusammen, dass seit Jahren über Kinderarmut geredet werde, und alle Parteien diese bedauern: »Doch dieses Bedauern reicht kaum über den Wahlkampf hinaus. Es ist Zeit, dass aus Worten Taten werden.«
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