Der Feminismus und der Markt

Über die Vereinnahmung und Entpolitisierung linker und feministischer Forderungen

»Alles allen!« steht auf dem neuen Plakat des Luxuskaufhauses KaDeWe im Berliner Westen. Darauf zu sehen: Hengameh Yaghoobifarah, bekannt durch die »taz«-Kolumne »All Cops are berufsunfähig«, in einem Ledermantel für stolze 3900 Euro. Die Kritik im Netz war vorprogrammiert. Immerhin gibt sich Yaghoobifarah nicht nur polizei-, sondern auch kapitalismuskritisch.

Sogar die Gewerkschaft der Polizei lies sich zu einem Kommentar hinreißen. Benjamin Jendro, Pressesprecher des Landesverbandes Berlin, wirft Yaghoobifarah Scheinheiligkeit vor. Gegenüber dem Tagesspiegel erklärt er zudem, das KaDeWe sollte sich fragen, »ob es nicht vielleicht auch Polizistinnen und Polizisten gibt, die dort einkaufen und die dann die Person im Schaufenster sehen, die sie allesamt auf dem Müll entsorgen wollte.«

Jetzt also posiert die nicht-binäre Kolumnist*in in Designerklamotten – ganz ohne schlechtes Gewissen. Wahrscheinlicher sei es doch, dass so linke Propaganda im Luxuskaufhaus beworben werde, twitterte Yaghoobifarah am Mittwoch. Werdet fett, verteilt euren Reichtum um, brecht mit der Binarität und lasst eure Freunde keine Polizist*innen werden, geht es im Tweet weiter.

In der Tat ist die Vermarktung feministischer, aber auch linker oder klimapolitischer Forderungen durch große Unternehmen nicht neu: Das T-Shirt mit »Feminist«-Schriftzug, Models abseits der üblichen 90-60-90-Maße oder gesellschaftskritische Werbekampagnen mit politischen Botschaften und in Zusammenarbeit mit NGOs, sieht man immer wieder.

»Der Feminismus« ist schon lange nicht mehr nur politischer Diskurs und akademisches Wissen sondern Teil von Popkultur. Feministische Themen sind »cool«, verwertbar und können Umsätze und Beliebtheitswerte steigern. Aber ist das eine progressive Allianz? Ist die KaDeWe-Werbung Yaghoobifarahs ein Verrat an linken, kapitalismuskritischen Forderungen oder queerfeministischer Aktivismus der neoliberalen Art?

Zumindest im Kontext der Modeindustrie lässt sich mit der Aneignung feministischer Forderungen auch eine Entpolitisierung dieser feststellen. Einzelne Begriffe und Aktionen gaukeln ein vermeintlich progressives Image vor, ohne, dass ein Unternehmen eigene patriarchale und neoliberale Strukturen auch hinterfragen muss.

Im wissenschaftlichen Diskurs wird dabei von »Empowertising« oder, im Kontext von LGBTIQ-Themen, von »Pinkwashing« gesprochen. Am Ende kann Konsum sogar als ein Akt der Selbstermächtigung gelten, die Gesellschafts- und Kapitalismuskritik rückt in den Hintergrund.

Immerhin scheint die Forderung nach Sichtbarkeit von Personen abseits genormter Körper und binärer Geschlechtervorstellungen im neuen KaDeWe-Katalog teilweise erfüllt. Aber ob Sichtbarkeit und Modestatements ausreichen, tiefgreifende Veränderungen eines patriarchal-kapitalistischen Systems anzustoßen und Werbung als Werkzeug für die Kritik gesellschaftlicher Normen funktioniert – wer weiß. Im Fall Yaghoobifarahs ist zumindest fragwürdig was die Werbekampagne verkaufen soll. Linke Propaganda oder doch einfach nur einen überteuerten Designer-Mantel.

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