Zurück zur präsidialen Allmacht
Verfassungsergänzung in Sri Lanka soll 2015 abgeschaffte Präsidialherrschaft zurückbringen
Nur noch wenige Tage oder bestenfalls Wochen, dann ist die Demokratische Sozialistische Republik von Sri Lanka, wie der südasiatische Inselstaat mit offizieller Bezeichnung heißt, der Regierungsform nach wieder eine präsidiale Demokratie. Am Dienstag ging die erste Lesung zum Gesetzentwurf über die Bühne, der Rest ist Formsache. Mit der 20. Verfassungsergänzung würde jener Rahmen wiederhergestellt, der bis Anfang 2015 galt.
Damals wollte sich Mahinda Rajapaksa als beinahe allmächtiger Präsident gerade mittels Wahl eine dritte Amtszeit sichern. Doch am Ende lief es etwas anders als geplant: Eine knappe Mehrheit votierte auf Drängen einer geeinten Oppositionsfront für seinen Herausforderer Maithripala Sirisena, der noch wenige Monate zuvor dessen Gesundheitsminister war. Sirisenas folgende Regentschaft ist zwar rückblickend kaum als glanzvoll zu bezeichnen, sind sich Bürger wie Beobachter weitgehend einig. Allerdings kam er einem zentralen Versprechen nach: Die 19. Verfassungsergänzung schränkte die Macht des Staatschefs in wichtigen Punkten wieder ein. Fortan begegneten sich Präsident und Premierminister in der Wertigkeit eher auf Augenhöhe - was aber realpolitisch zum Problem werden sollte, als sich das Verhältnis zwischen Sirisena und seinem damaligen Regierungschef zusehends abkühlte.
Der starke Mann heißt inzwischen wieder Rajapaksa, jedoch Gotabaya mit Vornamen, und ist der Bruder von Mahinda. Im November 2019 hatte er, der schon unter Mahinda als Verteidigungsminister diente, mit klarer Mehrheit die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Seiner Anhängerschaft hatte er versprochen, im politischen System den Status quo ante wiederherzustellen. Mit seinem Bruder Mahinda hat er als Premierminister jemanden an der Spitze des Kabinetts, dem er maximal vertrauen kann - keine Verbindung ist enger als die mittels Blutsbanden. Gemeinsam haben sie jetzt jenes Gesetz auf den parlamentarischen Weg gebracht, das dem Präsidentenamt unter Sirisena verloren gegangene Vollmachten zurückgeben würde. Ziel ist es unter anderem, den 19. Verfassungszusatz zu widerrufen, der jedem Bürger das Recht gibt, das Staatsoberhaupt wegen grober Verfehlungen vor Gericht zu bringen - der Präsident würde völlige Immunität genießen. Zudem könnte er künftig weitgehend ungehindert die Besetzung unabhängiger Kommissionen vornehmen. Derzeit ist dies noch einem Verfassungsrat vorbehalten, der wiederum gewisser parlamentarischer Kontrolle unterliegt.
Es gibt kaum Zweifel, dass der Vorstoß die notwendige Zweidrittelmehrheit im 225-köpfigen Parlament erhalten wird. Die Regierungspartei Sri Lanka Podujana Peramuna (SLPP) hat sich bei der Wahl am 5. August 145 eigene Mandate sichern können, kann sich zudem auf sechs verbündete Abgeordnete verlassen. Von einem »schwarzen Tag für die Demokratie« sprach bereits Oppositionsführer Sajith Premadasa von der Samagi Jana Balawegaya (SJB), der als Herausforderer Gotabayas bei der Präsidentschaftswahl unterlegen war. Selbst im Bündnis mit allen anderen oppositionellen Kräften, vor allem den Tamilen-Parteien, fehlt der SJB die Stärke, den Beschluss zu verhindern. Die letzte Hoffnung liegt jetzt auf den Obersten Richtern: Vor dem Supreme Court wurde am Dienstag Klage eingereicht. Binnen drei Wochen muss das Gericht urteilen, ob der 20. Zusatz ganz oder in Teilen verfassungswidrig ist. Besorgt zeigte sich auch Michelle Bachelet, UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, die insbesondere befürchtet, das bisher unabhängige Gremien unter Präsidialkontrolle fallen werden.
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