Der übereignete Döpfner

Leo Fischer lobt die Wächterverantwortung des Neu-Milliardärs Mathias Döpfner

In unserem traurigen Medienalltag werden sie selten, die guten Nachrichten. Eher dominieren Hiobsbotschaften: Die »Süddeutsche Zeitung« muss im Dutzend entlassen, »Yps« wird nicht wieder aufgelegt, und immer weniger Zwölfjährige wissen, warum sie die »FAZ« abonnieren sollen, seit Patrick Bahners einen eigenen Tiktok-Kanal hat. Da tut es gut zu wissen, dass an anderer Stelle der Rubel noch rollt: Soeben hat Springer-Chef Mathias Döpfner von Verlegerwitwe Friede Springer rund 4,1 Prozent des Grundkapitals gekauft, als Bonus für den langjährigen Vertrauten übereignete ihm die spendable Witwe weitere rund 15 Prozent - und machte ihn damit nach der Überschlagsrechnung diverser Branchendienste zum Milliardär. Die Stimmrechte ihres verbleibenden Aktienpakets von rund 22,5 Prozent sollen künftig von Döpfner ausgeübt werden.

Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen, mögen Kleingeister hier einwenden. Tatsächlich aber ist der Deal im Sinne einer höheren Vernunft: Es bedarf schließlich einer klaren Führungskontinuität bei »Bild«, das Blatt steht in der Verantwortung. Fast kein anderes Medienhaus nimmt seine demokratischen Kontrollpflichten noch so ernst: 16.000 Mitarbeiter sollen weiter wachsam bleiben und das Mikro offenhalten, wenn ein kleines Kind soeben der Ermordung seiner Spielkameraden beiwohnte. Springer-Mitarbeiter sollen auch weiter Stärke zeigen, wenn rechtsradikale Springer-Blogger zur Hatz auf allzu freche Feministinnen aufrufen. Springer-Mitarbeiter sollen einen Virologen, der nicht mit Springer reden möchte, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln fertigmachen.

Diese Wächterverantwortung übernimmt Mathias Döpfner notfalls auch persönlich: Als letztes Jahr in Halle ein Rechtsradikaler zum Massenmord in einer Synagoge loszog, eine Passantin und den Gast eines Döner-Restaurants umbrachte, warnte Döpfner danach in einem Leitartikel folgerichtig vor einer zu großzügigen Flüchtlingspolitik und einer überbordenden political correctness. Unter der Überschrift »Nie wieder ›nie wieder‹« kritisierte er auf dem Titelblatt der »Welt« unter anderem das Wegschauen bei »Ausländerkriminalität« und die Personalpolitik des HSV (kein Witz). Ein Text, der große Beachtung fand und auch von der Politikerin Erika Steinbach verbreitet wurde; ein Text, wie man ihn gerne liest von einem, der sich anschickt, zusammen mit dem Investor KKR Europas größten Medienkonzern aufzubauen.

Kein Zweifel: Der drei Meter große Musik-, Theater- und Kloakenwissenschaftler Döpfner ist der richtige Mann zur richtigen Zeit. Ein Europa, das »Abschiebepatenschaften« einführt und unter deutscher Führung eine vereinheitlichte Asylpolitik anstrebt, die auch Viktor Orbán unterschreiben kann, braucht ein vereinheitlichtes gesamteuropäisches Mediensystem, quasi einen Lidl auf dem Meinungsmarkt, in welchem Ausländerkriminalität das alles bestimmende Thema ist. Es braucht verantwortungsvolle Medienmilliardäre, die sich im Falle einer Pandemie darum kümmern, dass die Leute nicht nur auf bockige Wissenschaftler hören, sondern etwa auch auf die Ansichten der Klatschkolumnistin Patricia Riekel (»Ich hätte die Maßnahmen nicht für notwendig gehalten«).

Kurzum, die unfassbare Provinzialität und bigotte Feudalstruktur des deutschen Mediensystems muss auf den ganzen Kontinent ausgedehnt werden, wenn es noch etwas werden soll mit der Festung Europa, auch nach innen. Auf die von Springer seit Jahren mit Ingrimm bekämpften Öffentlich-Rechtlichen wie auch auf Google kann man sich da nicht verlassen. Die Stimme der Vernunft legt nahe: Überschreibt ihm den Laden gleich ganz! Auf die paar Prozent kommt es jetzt auch nicht mehr an.

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