Bestimmte Handytarife verstoßen gegen das EU-Recht
Urteil des Europäischen Gerichtshofs
Handytarife, bei denen bestimmte Dienste etwa für Musik-Streaming nicht auf das Datenvolumen des Kunden angerechnet werden, verstoßen nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg gegen das EU-Recht. Die Anbieter dürften bestimmte Anwendungen nicht bevorzugt behandeln, die Nutzung der übrigen Dienste nach Verbrauch des Datenvolumens hingegen blockieren oder verlangsamen, befanden die Richter in ihrer Entscheidung vom 15. September 2020 (Rechtssachen C-807/18 und C-39/19). Dies verstoße gegen den Grundsatz der Netzneutralität, wonach alle Daten im Internet diskriminierungsfrei gleich behandelt werden müssen.
Hintergrund ist ein Fall in Ungarn, bei dem es um Tarife mit begrenztem Internet-Datenvolumen geht. Ist dieses Volumen verbraucht, wird der weitere Datenverkehr verlangsamt oder blockiert. Der Datenverkehr bestimmter Dienste wie Video- oder Musik-Streaming-Apps wird jedoch nicht auf das Volumen angerechnet und ist auch nicht von der Verlangsamung betroffen.
Ähnliche Tarife werden aber auch in Deutschland angeboten. Susanne Blohm von der Verbraucherzentrale Bundesverband erklärte dazu, dass die bekanntesten deutschen Angebote wohl nicht von dem EuGH-Urteil betroffen seien, weil bei ihnen alle Apps - also beispielsweise auch die bevorzugten Musik- oder Streaming-Dienste - von der Tempodrosselung betroffen seien.
Auch die Telekom betonte: »Bei uns wird alles gleichbehandelt. Wenn reduziert wird, gilt das für alle Dienste«, so der Telekom-Sprecher Dirk Wende. Allerdings ist wegen des Telekom-Tarifs »StreamOn« noch ein Gerichtsverfahren in Deutschland anhängig. Das Verwaltungsgericht Köln rief dazu im Januar den EuGH an. Eine Entscheidung liegt noch nicht vor.
Verbraucherschützer sehen auch die Angebote in Deutschland kritisch. Auf den ersten Blick seien sie für den Kunden attraktiv, sagte Susanne Blohm. »Über kurz oder lang besteht jedoch die Gefahr, dass sich solche Angebote negativ auf die Wahlfreiheit der Verbraucher und Angebotsvielfalt am Markt auswirken.« Ziel sollte Blohm zufolge sein - wie in vielen EU-Ländern längst Standard -, grundsätzlich mehr Inklusivvolumen für den monatlichen Tarifpreis zu bekommen.
Grundsätzlich begrüßte die Verbraucherzentrale Bundesverband das aktuelle EuGH-Urteil. Zugleich forderte der Bundesverband jedoch Rechtssicherheit für die Verbraucher. Der Umgang mit derlei Tarifen müsse grundsätzlich geklärt werden - auch mit Blick auf die deutschen Angebote.
Die EuGH-Richter argumentierten in ihrem Urteil unter anderem, dass derlei Tarife die Rechte der Nutzer erheblich einschränken könnten. Sie könnten unter anderem dazu beitragen, dass die Nutzung der bevorzugt behandelten Anwendungen erhöht und der anderen Anwendungen verringert werde. dpa/nd
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