Kommunen wollen bei Sparkassen sparen
Verhärtete Fronten im Tarifstreit: Der Konflikt mit Verdi könnte sich im Oktober zuspitzen
Den Sparkassen droht im Herbst eine harte Tarifauseinandersetzung. Schuld daran sind nicht allein die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie. Zur ersten Verhandlungsrunde Anfang September in Potsdam kamen mehr als 250 Beschäftigte der Sparkassen aus Niedersachsen, Bremen, Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen zusammen, um vor dem Verhandlungshotel lautstark ihren Protest gegen drohende Eingriffe in die sogenannte Sparkassen-Sonderzahlung zu demonstrieren. Diese ist eine Art dreizehntes Monatsgehalt, das seit dem Jahr 2018 rund 89 Prozent beträgt. Dazu kommt eine variable Vergütung, eine Art Urlaubsgeld, die sich aus einem individuell leistungsbezogenen und einem unternehmenserfolgsbezogenen Teil zusammensetzt. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ergriff schon mal Partei, als er sagte: »Ein 14. Monatsgehalt muss es nicht geben.«
Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) mit ihrem Verhandlungsführer Ulrich Mägde erwartet jedenfalls Lohnzurückhaltung von den Beschäftigten. Mehr noch, sie würde die Sonderzahlung gerne radikal zusammenstreichen, hieß es aus Verhandlungskreisen. Die VKA vertritt als tarifpolitischer Dachverband mehr als 10 000 kommunale Verwaltungen und Betriebe in Deutschland.
»Bereits in der ersten Runde zeigte sich, wie schwierig die überzogenen Forderungen der Gewerkschaften für uns sind«, sagte Mägde. Das SPD-Mitglied ist seit 1991 Oberbürgermeister der Hansestadt Lüneburg. In Anbetracht der Coronakrise dürfe man die Kommunen nicht noch stärker belasten. Von Nullrunde, versichert Mägde, könne allerdings keine Rede sein. Die Gewerkschaft Verdi fordert dagegen ein Einkommensplus von 4,8 Prozent beziehungsweise einen Mindestbetrag von 150 Euro sowie eine Angleichung der Arbeitszeiten in Ost und West.
Erschwert werden die Verhandlungen für die mehr als 300 000 Sparkassen-Angestellten, weil sie eingebettet sind in die allgemeinen Tarifverhandlungen für den kommunalen öffentlichen Dienst mit seinen 2,4 Millionen Beschäftigten. Sparkassen gehören üblicherweise den örtlichen Kommunen. Da sie sich aber im Wettbewerb mit anderen, oft privaten Kreditinstituten behaupten müssen, wurde das Tarifrecht wiederholt an das in der Bankenbranche angepasst. So gelten über die Grundnormen des öffentlichen Dienstes hinaus Sonderregelungen. Daher haben sich Arbeitgeberverband VKA und Verdi schon Anfang September auf gesonderte Gespräche für die Sparkassen geeinigt.
Die Verhandlungen dürften dennoch alles andere als einfach verlaufen. »Letztlich können wir nur verteilen, was wir haben - und das ist angesichts klammer Kassen der Kommunen nicht viel«, setzt Arbeitgeberpräsident Mädge ein deutliches Stoppsignal. Verdi kontert mit dem Hinweis auf Milliarden von Euro, die der Bund wegen Corona an die Kommunen überweist.
Wie sich die wirtschaftliche Lage der Sparkassen entwickeln wird, bleibt offen. Am Anfang der Corona-Pandemie sprach der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Helmut Schleweis, noch von einer »Position der Stärke«. Die Institute hatten 2019 mit einem Gewinn von 1,8 Milliarden Euro abgeschlossen. Zusätzlich wurden 4,1 Milliarden Euro in die Vorsorgereserven für schwierige Zeiten gepackt, so Schleweis. Und Corona hat den Sparkassen sogar Abertausende zusätzliche Kreditverträge beschert. Allein im März waren es 22,3 Prozent mehr als im Vorjahresmonat.
Beobachter weisen allerdings auf das »schwierige Marktumfeld« hin. Im Herbst könnten viele Kunden der 377 Sparkassen in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Die Nie-drigzinsen dämpfen die Erträge, und die im internationalen Vergleich hohe Zahl an Bankfilialen in Deutschland treibt die Kosten nach oben und verschärft in der Geldbranche den Konkurrenzkampf.
Im Laufe des Oktobers werden die Tarifverhandlungen fortgesetzt. Verdi plant bis dahin weitere Aktionen mit Sparkassen-Angestellten.
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