So wummst Scholz

Andreas Koristka untersucht die aussichtsreichsten Strategien für den SPD-Kanzlerkandidaten

Man kann es sich noch gar nicht richtig vorstellen, aber in absehbarer Zeit wird Angela Merkel, auf ihrem Stuhl sitzend, aus dem Kanzleramt getragen, um woanders weiterzusitzen. Dann muss jemand anderes die Geschicke des Landes leiten und sich von der Last des Amtes die Mundwinkel Richtung Boden ziehen lassen. Derzeit geht niemand davon aus, dass das jemand sein könnte, der aussieht und redet wie Olaf Scholz oder - noch unwahrscheinlicher - Olaf Scholz ist. Doch selbst wenn die Chancen des Buchhaltungs-Charismatikers äußerst gering sind, bietet jeder der derzeit gehandelten Kandidaten in der Union doch gewisse Angriffspunkte. Gegen wen könnte sich Olaf Scholz vielleicht doch ins Kanzleramt schummeln?

Gegen Friedrich Merz würde es wohl am schwersten. Merz wirkt ähnlich aus der Zeit gefallen wie Scholz, hat aber den Vorteil, dass sein neoliberaler Standpunkt viel glaubwürdiger rüberkommt. Mit seinen dezent eingestreuten homophoben Attacken punktet er zudem im konservativen Teil der gehobenen Mittelschicht. Das eigene Flugzeug vermittelt einen Hauch von mondäner Gewandtheit, auch wenn der Jet selbstverständlich nicht ganz so groß ist wie der T-Bird eines Donald Trump. Gegen den schillernden Friedrich wirken nicht nur seelenlose Parteisoldaten der Hamburger SPD blass. Dennoch ist Merz nicht unbesiegbar. Ein bisschen Sachpolitik hier, ein paar Manipulationen am Triebwerk seiner zweimotorigen DA62 da - schon könnte Vizekanzler Scholz die Amtsgeschäfte übernehmen.

Aber wie sieht es mit den anderen Unionskandidaten aus? Auch Armin Laschet hat Olaf Scholz voraus, dass er nicht Mitglied der SPD ist. Deshalb müsste Scholz zum allerletzten Mittel greifen und die Bazooka gegen ihn einsetzen. Es müsste dann halt dieses Mal nicht jene sein, die auf Staatskosten Geldgeschenke verschießt, sondern die echte raketengetriebene Infanteriewaffe. Als Laschets Vizekanzler in einer Großen Koalition würde Scholz in der Folge automatisch aufrücken und die Amtsgeschäfte übernehmen.

Gegen Markus Söder hingegen könnte Scholz sein ganzes sozialdemokratisches Profil ausspielen und den Bayern mit seinen ehrlichen Arbeiterparteihänden erwürgen. Auch auf diesem Weg würde Scholz als Vizekanzler in einer Großen Koalition … - Man sieht, das System funktioniert eigentlich immer. Man könnte es den »Kanzler-Wumms« nennen.

Einzig gegen Norbert Röttgen wäre für den Sozialdemokraten der Herzen eine diffizilere Strategie ratsam. Röttgen ist so profillos, dass es niemandem auffallen würde, wenn sich Olaf Scholz im Kabinett einfach auf Röttgens Stuhl setzen würde, wenn dieser mal eben kurz für kleine Kanzlerkandidaten gehen müsste. Und egal wäre es den meisten wahrscheinlich auch. Norbert Röttgen würde danach freundlich, aber bestimmt vom Sicherheitsdienst abgewiesen und vor die Tür geleitet werden. Scholz ließe sich noch vor Ort der Form halber von Saskia Esken eine Narbe ins Kinn beißen. Damit würde sich Esken zum einen vor dem linken Parteiflügel rehabilitieren und zum anderen wäre danach die Ähnlichkeit zwischen Röttgen und Scholz noch frappierender. Fertig wäre die Laube. Es wäre das würdige Ende eines spannungsgeladenen Wahlkampfs.

So wenig aussichtsreich die Kandidatur von Scholz also zunächst aussehen mag - in der politischen Realität dürfte kaum ein Weg an diesem Mann vorbeiführen. Schon bald also wird jemand mit einem waschechten linken Profil die Verdammten dieser Erde in den Grenzen der Bundesrepublik erwecken. Die einzige Chance für die Union, dieser linken Vorherrschaft aus dem Weg zu gehen, bestünde darin, Annalena Baerbock und Robert Habeck zur Doppelkanzler*in zu wählen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -