Schädliche Agrarinvestitionen

Umweltökonom Graziano Ceddia fordert strikte Regulierung des Kapitalzuflusses

  • Eric Breitinger
  • Lesedauer: 4 Min.

Satellitendaten unter anderem der Nasa zeigen, dass die Anzahl der Waldbrände im Amazonasgebiet stark zugenommen hat. Wie kommt das?
Eine Hauptursache dafür sind Abholzung und Brandrodungen, um neue landwirtschaftliche Anbauflächen zu gewinnen. Eine Rolle spielte sicher auch, dass der ultrarechte Präsident Brasiliens, Jair Bolsonaro, signalisiert, dass die Polizei nur lax gegen illegale Holzfäller und Brandstifter vorgeht. Sein erklärtes Ziel ist es, Brasilien zum weltgrößten Agrarexporteur zu machen.

Welchen Einfluss haben dabei ausländische Investoren in Lateinamerika?
Einen wichtigen. Es gibt viele Treiber für die Ausweitung der Anbauflächen auf Kosten der Regenwälder in Lateinamerika, aber auch der in Südostasien. Einer davon ist, dass der Verkauf von Agrarprodukten eine interessante Investitionsoption darstellt. Seit Ende der 1990er Jahre werfen traditionelle Anlagen wie zum Beispiel US-Staatsanleihen laufend weniger Rendite ab. Zum gleichen Zeitpunkt zogen die Weltmarktpreise für agrarische Rohstoffe wie Zuckerrohr, Soja oder Palmöl enorm an. Viele Investoren zogen Geld aus den traditionellen Anlagen ab und steckten es in den Agrarsektor des globalen Südens. Aufgrund der ungleichen Verteilung der Vermögen spielen die Investitionen der Superreichen dabei eine entscheidende Rolle. Laut Schätzungen gab es im Jahr 2018 weltweit 317 Billionen US-Dollar an privaten Vermögen. 68 Billionen besaßen die Superreichen.

Graziano Ceddia
Der Umweltökonom ist Assistenzprofessor am Zentrum für Entwicklung und Umwelt der Universität Bern. Er forscht zu Landnutzung und Landrechten indigener Völker. Mit ihm sprach Eric Breitinger.

Auf welche Belege stützen Sie ihre Einschätzungen?
Wir haben zum Beispiel die Daten der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO zu Agrarflächen und ausländischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft von 21 Ländern in Lateinamerika und Südostasien vom Jahr 1991 bis 2014 analysiert. Dabei zeigte sich: Steigen die Vermögen der Superreichen weltweit um ein Prozent an, wachsen die Anbauflächen für besonders lukrative »Flex-Crops« (Pflanzen, die als Nahrung, aber auch zu anderen Zwecken wie Tierfutter oder Energiegewinnung dienen können, d. Red.) wie Soja oder Palmöl um 2,4 bis 10 Prozent. Das ist kein Wunder: Flex-Crops sind besonders attraktiv für Anleger, weil sie eben flexibel einsetzbar sind. Fällt zum Beispiel die Nachfrage der Nahrungsmittelindustrie nach Palmöl, springen die Biokraftstoff-Produzenten ein. Anleger interessieren sich nicht für Landwirtschaft oder Nahrungsmittel. Sie wollen die Anlagerisiken diversifizieren und eine möglichst hohe Rendite erwirtschaften. Ihre Investments verfolgen ausschließlich finanzielle Motive. Damit folgen sie der Logik des Kapitalismus. Die Anhäufung von enormen Vermögen führt laut Karl Marx dazu, dass ihre Besitzer ständig nach neuen Anlagemöglichkeiten suchen, um noch mehr Profit zu erzielen. Die Finanzmärkte ergreifen so vom Agrarsektor Besitz.

Wer sind die Superreichen?
Rund 18 Millionen Erwachsene verfügten im Jahr 2017 weltweit über eine Million US-Dollar und mehr, die sie frei investieren können. Viele praktizieren privat ein beschämend ausschweifendes Konsumverhalten. Laut einer deutschen Studie aus dem vergangenen Jahr hat ein durchschnittlicher Vertreter dieser Gruppe einen gewaltigen ökologischen Fußabdruck von 129 Tonnen CO2 pro Jahr. Das entspricht 60 Flügen von Berlin nach New York. Die Umweltfolgen ihrer Investitionen sind aber oft noch verheerender.

Wie sehen diese aus?
Die Ausdehnung der Anbauflächen fördert die Entwaldung. Zum Beispiel ist die Palmölproduktion auf der Insel Borneo für 50 Prozent der dortigen Waldverluste in den Jahren 2005 bis 2015 verantwortlich. Die Entwaldung setzt Kohlenstoff frei. Bisherige Untersuchungen zeigen, dass allein der Anbau von Pflanzen wie Palmöl und Soja für etwa ein Viertel der Emissionen verantwortlich ist, die weltweit wegen der Abholzung entstanden sind. Das geht einher mit einem Verlust an Artenvielfalt. In den Palmölplantagen auf Borneo lebt nur noch ein Zehntel der Säugetier- und Vogelarten, die früher hier lebten. Eine weitere Folge ist, dass Viren wie Ebola von Wildtierpopulationen auf den Menschen überspringen können. Je weiter wir in ihre Lebensräume vordringen, desto wahrscheinlicher begegnen wir neuen Viren, auf die wir nicht vorbereitet sind. Das erhöht das Risiko von Pandemien.

Wie lassen sich die Schäden durch diese Investitionen reduzieren?
Entscheidend ist, den Zufluss von Kapital in die Landwirtschaft strikt zu regulieren. Ausländische Investments in Ackerland sollten Kriterien unterliegen, welche die Umweltschäden minimieren. Regierungen in Ländern des globalen Südens können zudem eine Steuer nach dem Wert des Ackerlandes einführen. Namibia hat das zum Beispiel getan. Der Staat kann so Steuern einnehmen, den Landbesitz von Kleinbauern fördern und ausländische Landkäufe erschweren.

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