Schuften am Ende der Lieferkette
Die Bundesregierung kommt beim Gesetz zu Sorgfaltspflichten für Menschenrechte nicht weiter
Volle Regale mit Klamotten in allen Preislagen, billige Schokolade oder das schicke neue Smartphone - am anderen Ende der Lieferkette arbeiten Menschen in ungesicherten Minen und Fabrikhallen, auf Kakaofeldern und Kaffeeplantagen unter unwürdigen Arbeitsbedingungen. Nicht erst seit der Rana-Plaza-Katastrophe sind Arbeitsbedingungen in den weltweiten Produktionsstätten in der Kritik. Dennoch gilt der Einsturz der Textilfabrik 2013 in Bangladesch, bei dem mehr als tausend Arbeiter*innen getötet wurden, heute als Symbol für den Kampf um Gesundheitsschutz und Arbeitsrechte in der gesamten Lieferkette.
Nach Frankreich und den Niederlanden will auch die Bundesregierung ein Lieferkettengesetz verankern, um Menschenrechte in der Produktion zu sichern. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) haben dazu Eckpunkte vorgeschlagen, verabschiedet wurden sie bisher nicht.
Denn im Kabinett der Großen Koalition gibt es Widerstand. Besonders Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sieht die Wirtschaft in den bisherigen Vorschlägen zu sehr belastet, wie er bei einer Veranstaltung des Bundesverbands der Deutschen Industrie in Berlin erneut betonte.
So konnten die Minister Heil und Müller am Dienstag bei einer Onlinekonferenz zum Thema »Globale Lieferketten - Globale Verantwortung« zwar hochrangiges Publikum präsentieren, einen Erfolg im eigenen Land jedoch nicht. Lediglich einen Appell schickte Heil an seinen Amtskollegen: Er hoffe, dass Altmaier am Ende mitziehe.
Unterstützung erhält das Lieferkettengesetz indes aus der EU: Justizkommissar Didier Reynders will ab kommendem Jahr verbindliche Sorgfaltspflichten für Unternehmen entlang ihrer Lieferketten. »Freiwillige Maßnahmen und Verpflichtungen der Wirtschaft haben nicht ausgereicht, das haben wir lange genug probiert«, sagte Reynders und fügte an, dass bei Verstößen gegen Arbeitsrecht und Umweltschutz künftig neben einer zivilrechtlichen auch eine strafrechtliche Haftung wünschenswert sei. Die Initiative aus Deutschland sei hilfreich, auch um die anderen EU-Länder zu überzeugen.
Den Wink nahm Gastgeber Heil gerne auf: »Europa braucht eine verbindliche Regelung für nachhaltige und faire Lieferketten. Die Menschen müssen sich sicher sein, dass die Produkte in ihren Einkaufswagen nicht mit Ausbeutung oder Kinderarbeit hergestellt sind. Deutschland kann mit gutem Beispiel vorangehen, indem wir ein eigenes und wirkungsvolles Gesetz einführen.«
Uneinigkeit gibt es jedoch nicht nur innerhalb der Regierungen, auch das Unternehmerlager scheint gespalten. Während die beim Tag der Industrie vertretenen Manager und Verbandsvertreter von »verunglimpfendem Generalverdacht« und »Diskriminierung« sprachen, unterstützen andere ein Lieferkettengesetz. Ob aus Überzeugung, wegen langfristig angelegter Wettbewerbsfähigkeit oder, wie Heil am Rande bemerkte, »manchmal auch aus Imagegründen« - immer mehr Unternehmen schließen sich der Idee verbindlicher Sorgfaltspflichten an. Ein Knackpunkt bleibt die Frage der Haftung. Heil und Müller bestehen auf zivil- und strafrechtlichen Möglichkeiten bei Verstößen, viele Unternehmen wollen das auf jeden Fall vermeiden.
Wie schwer es heute ist, vor ein deutsches Gericht zu ziehen, hat ein anderes Unglück in einer Textilfabrik gezeigt. Angehörige von Opfern und Betroffenen verklagten vor dem Landgericht Dortmund 2015 den Textilhersteller Kik auf Schadenersatz, nachdem 2012 in der Textilfabrik Ali Enterprises ein Feuer ausgebrochen war und knapp 300 Arbeiter*innen darin umkamen. Am Ende wurde ihr Anspruch abgelehnt, er war verjährt.
Entwicklungsminister Müller indes betonte, neben sicheren Arbeitsplätzen gehe es auch um höhere Löhne und bessere Zukunftsaussichten. Statt sich nur der Rohstoffe zu bedienen, müsse es darum gehen, mehr Wertschöpfung in anderen Ländern zu schaffen.
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