Die Ungleichheit wächst

Stefan Otto über die sozialen Auswirkungen der Coronakrise

Nichts wird mehr so sein, wie es einmal war, war eine häufig benutzte Floskel zu Beginn der Pandemie. Seitdem ist ein halbes Jahr vergangen, und viele stellen nun fest: Irgendwie ist das Leben trotz des Lockdowns doch weitergegangen. Die Wirtschaft steckt zwar in der Krise, die ist aber nicht so schwer wie befürchtet; die Schulen und Kindergärten haben wieder auf; auch die neuerlichen Einschränkungen sind bislang moderat. Es scheint also alles halb so schlimm zu sein.

Ein solcher Blick auf die Coronakrise ist allerdings ein sehr oberflächlicher, der die vielen Einzelschicksale nicht berücksichtigt und nicht weiterhilft. Vielmehr braucht es andere Sichtweisen. In einer Studie hat die Entwicklungsorganisation Oxfam jetzt etwa festgestellt, dass die Auswirkungen der Pandemie überall auf der Welt arme Menschen stärker treffen als reiche. In Deutschland sind zwar die staatlichen Hilfsmaßnahmen beachtlich, sie können aber die großen sozialen Unterschiede nicht verringern. Vielmehr wächst die Ungleichheit noch: In der Schule hatten es Kinder aus benachteiligten Elternhäusern während des Homeschoolings besonders schwer. Die Folgen wirken noch lange ins neue Schuljahr nach. Auch in der Wirtschaft gibt es Krisengewinnler, etwa Discounter oder Onlinehändler, während die kleinen Geschäfte zu knapsen haben.

Die am härtesten von der Pandemie betroffenen Gruppen wurden bei der Krisenbewältigung der Bundesregierung nur am Rande bedacht. Wohnungslosen etwa ist ein Teil ihrer Anlaufpunkte weggebrochen. Geflüchtete in Gemeinschaftsunterkünften leben mit einem hohen Infektionsrisiko und vielen Einschränkungen. Suchtkranke und Prostituierte wurden noch mehr an den Rand gedrängt. Viele von ihnen können wirklich sagen, dass die Auswirkungen der Krise für sie einschneidend und gravierend sind.

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