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Die linke Zahlenmaschine
Die junge Denkfabrik »Data for Progress« will den US-Demokraten ihre Angst vor linker Politik austreiben.
Die richtigen Zahlen bereit stellen, für linke Politiker und so das Feld des Sag- und Machbaren verschieben. Die politische Diskussion beeinflussen, wie es konservative und wirtschaftsliberale Think Tanks auch tun: Das war die Gründungsidee von Data For Progress (DFP), von Sean Mc Elwee und Colin McAuliffe. Was vor zweieinhalb Jahren mit dem Austausch von Twitter-Nachrichten begann, um »datenbasierte Artikel zu schreiben, über Trends, die zu wenig Aufmerksamkeit bekommen«, wie Mitgründer McAuliffe erzählt, ist mittlerweile zu einer Organisation mit elf eigenen Mitarbeitern geworden.
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Data For Progress unterhalte nun ein »großes Netzwerk« mit den »besten Sozialwissenschaftlern, Aktivisten und politischen Datenanalysten im Land«, erklärt McAuliffe, ein Computerwissenschaftler mit Doktortitel von der renommierten Columbia University. Das Ergebnis: ein stetiger Strom von Papieren und Zahlenmaterial für progressive Politiker der Demokraten, die zunehmend auch von der Mainstream-Presse aufgegriffen werden. Der linke Think Tank ist damit Teil eines Trends zur Entstehung neuer linker Institutionen seit der ersten Präsidentschaftskandidatur von Bernie Sanders 2016.
Mit Joe Biden hat sich an der Spitze noch einmal ein Politiker der Vergangenheit durchgesetzt, in vielen Wahlen zum US-Repräsentantenhaus und in Staatsparlamenten erringen derzeit aber progressive Demokraten Vorwahlsiege. Getrieben werden sie von neuen Organisationen, die nach Sanders´ Präsidentschaftskampagnen 2016 und 2020 entstanden sind oder seitdem stark wachsen. Die Democratic Socialists of America etwa, lokale Gruppen wie die Rhode Island Political Cooperative, die jugendlichen Klimakrise-Aktivisten des Sunrise Movement und eben Data For Progress. Die Arbeit der linken Datenwissenschaftler hilft der Parteilinke dabei, sich im Meinungskampf und bei (Vor-) Wahlen durchzusetzen, beeinflusst aber zunehmend auch die Politik der Demokraten insgesamt.
Das Kerngeschäft des Think Tanks sind Umfragen. Den Auftakt machte im März 2018 ein Projekt zum Generalanliegen der Gründer: einer Reform der Demokratischen Partei. Eine wichtige Motivation dabei war es, Demokraten-Politikern aufzuzeigen, dass die eigenen Wähler und auch die Öffentlichkeit insgesamt weniger konservativ ist, als es das eher rechte Parteiestablishment und wirtschaftsfreundliche Lobbyisten behaupten - und dass die Parteibasis nach links gerückt ist, weniger aber die Politiker, die sie repräsentieren. Das Ergebnis des »Future Of the Party«-Berichts zeigt: 90 Prozent der Wähler der Demokraten unterstützen eine Milionärssteuer, 86 Prozent die Einführung einer staatlichen Krankenversicherung, 80 Prozent staatliche Eingriffe gegen soziale Ungleichheit. Viele Ziele der Parteilinken wie ein Mindestlohn von 15 US-Dollar hätten außerdem Unterstützung im ganzen Land, auch in Wechselwählerstaaten und besonders unter Nichtwählern. Die Wähler der Partei seien bereit für einen neuen inklusiven linken Populismus, so die Schlussfolgerung der Data-For-Progress-Forscher. McAuliffe nennt es »multiracial social democracy«.
Der linke Think Tank zeigt so, was andere Politikwissenschaftler schon vorher gezeigt haben: Auch Wähler, die sich selbst als in der moderaten Mitte verorten oder so gesehen werden, haben bei bestimmten Themen ziemlich linke Ansichten. Die Voter Study Group, ein Zusammenschluss verschiedener Wissenschaftler von verschiedenen Universitäten und Think Tanks, zeigte in einer Studie für die 2018/2019 mit über 6000 befragten Wählern, dass ein großer Teil der sogenannten »Independents« egalitären Positionen zuneigte und viele gleichzeitig Pro-Migration sind.
Die seit Monaten regelmäßig durchgeführte »Coronavirus-Tracker«-Umfrage etwa zeigt gleichbleibend hohe Zustimmung zu vielen sozialstaatlichen Coronakrisen-Hilfsmaßnahmen der Demokraten, wie zum Beispiel das 600-US-Dollar- Arbeitslosengeld. Und seit April geben auch immer Befragte an, dass einer ihrer Freunde, Familienmitglieder oder Arbeitskollege an Covid19 erkrankt sei.
Wut auf die Reichen
»Unsere Umfrageergebnisse zeigen: Ein Großteil der Bewegung nach links in der öffentlichen Meinung ist nicht von einem starken Glauben an linke Prinzipien getrieben, sondern von der Wut auf die Reichen«, sagt McAuliffe. Diese Wut sei »eine Chance« für die US-Linke, die den Menschen zeigen müsse, dass die Verhältnisse im Land »nicht zufällig« entstanden, sondern Ergebnisse eines ökonomischen und politischen Systems seien.
Zuerst hat der Think Tank mit den Umfrageforschern von YouGov zusammen gearbeitet, später erweiterte man dann seine Kooperationen auf weitere Institute wie Civis Analytics und Lucid. In den letzten zwei Jahren hat Data For Progress alleine in Kooperation YouGov mehr als 1600 Themen abgefragt. Häufig werden bei den DFP-Umfragen auch erwartbare Gegenargumente der Republikaner mit abgefragt, um zögernden Demokratenpolitikern zu zeigen, welche Politikvorschläge auch dann noch beliebt sind, wenn die rechte Propagandamaschine gegen sie angeworfen wird. Eine Mehrheit der Befragten überall im Land unterstützt etwa eine Mitbestimmung für Beschäftigtenvertreter in amerikanischen Unternehmen nach deutschem Vorbild – auch wenn in der Fragestellung erwähnt wird »Die Republikaner sagen, das ist schlecht für die Wirtschaft und würde Unternehmen weniger effizient machen«.
Bei einem zentralen Projekt der US-Linken, dem »Green New Deal«, trieben die DFP-Forscher im vergangenen Jahr diesen Ansatz noch weiter und untersuchten, was die Wähler in 40 Wechselwähler-Bezirken für das Repräsentantenhaus über das Lieblingsprojekt von Klimaaktivisten denken. Der Grund für die Umfrage in den Wahlbezirken, die die Demokraten bei der Zwischenwahl 2018 den Republikanern abgenommen hatten: Die Strategen aus dem Parteiestablishment argumentieren traditionell, man dürfe die wankelmütigen Wechselwähler in diesen Wahlkreisen nicht mit einer zu progressiven Agenda verprelle; man müsse versuchen, sie mit einem maßvollen Mitte-Kurs zu gewinnen.
Mit ihrer Umfrage konnten die aufstrebenden linken Strategen zeigen, dass auch in 42 Wechselwählerbezirken für das US-Repräsentantenhaus die Wähler mehrheitlich mit 49 zu 36 Prozent einen »Green New Deal« unterstützen, auch nachdem sie erfahren haben, dass die Regierung dafür ziemlich viel Geld ausgeben muss. Die Umfrage von DFP zeigt, dass einzelne Teilinitiativen wie solche zu sauberem Wasser deutlich populärer sind. Und besonders überzeugend wirkt in den Wechselwählerwahlkreisen das Argument, das Projekt schaffe neue Jobs.
Ein neuer Player bei Wahlumfragen
In den letzten Monaten hat Data For Progress sein Umfragegeschäft weiter ausgebaut, man veröffentlichte auch eigene Umfragen zu den Präsidentschaftsvorwahlen der Demokraten in den 23 Staaten, die am »Super Tuesday« Anfang März oder davor abgestimmt hatten. Laut »Economist«-Datenjournalist Elliot G. Morris konnte der neue Think Tank mit anderen etablierten Umfrageforschern mithalten, hatte bei der ersten Vorwahl in Iowa sogar den geringsten Umfragefehler mit nur 2,2 Prozent.
Die Datenjournalisten von FiveThirtyEight haben 31 DFP-Vorwahl-Umfragen analysiert und einen durchschnittlichen Fehler von 8,9 Prozent gefunden, in 81 Prozent der Umfragen wurde der Sieger korrekt vorhergesagt. Damit befindet sich der neue Think Tank im oberen Mittelfeld, bei Vorwahlen ist der Umfragefehler etwas größer als bei den Befragungen zur »general election«. Die Datenjournalisten von FiveThirtyEight bewerten Data For Progress auf einer fünfstufigen Skala deswegen als »B-Klasse- Umfrageforscher«. Das Urteil des Politikwissenschaftlers und Wahlanalysten Kyle Kondik von der University of Virginia: Der Umfragenneuling habe sich bei den Vorwahlumfragen »sehr gut geschlagen«.
Bisher führt Data For Progress vor allem eigene Umfragen und solche für linksliberale Nichtregierungsorganisationen durch, doch seit Kurzem realisiert der Think Tank auch Umfragen in einzelnen Wahlkreisen für progressive Kandidaten. Letztere können Parteilinke zum Teil schon für 5000 Dollar erhalten. Bei Umfragefirmen aus dem Establishment muss teilweise das Fünf- bis Zehnfache ausgegeben werden – zu viel für progressive Neukandidaten aus der Arbeiterklasse ohne Großspender hinter ihnen. Möglich macht dies ein selbst entwickeltes »Text to Web«-Umfragetool. Es nutzt Wählerlisten, die es zu kaufen gibt, um registrierten Wählern per Textnachricht einen Link zu einer Online-Umfrage zukommen zu lassen. »Der große Vorteil dabei ist, dass wir damit relativ einfach einen ausreichend großen Pool von Umfrageteilnehmern auch in kleinen Wahlkämpfen in Einzelwahlkreisen erreichen können, die uns interessieren«, erklärt McAuliffe. Die neue Umfragemethode sei »ein großes Experiment« gewesen, das sich ausgezahlt habe.
Eine DFP-Umfrage für den Parteilinken Jamaal Bowman, der in einem Wahlkreis in New York den langjährigen Amtsinhaber und Establishment-Demokraten Elliot Engel herausforderte, zeigte im September 2019 einen Rückstand von 19 Prozentpunkten, vor allem aber viele unentschlossene Wähler. Eine erneute Umfrage eine Woche vor der Vorwahl im Juni zeigte viel »Momentum« für den Parteilinken und dass dieser gewaltig aufgeholt hatte: Sie sah einen Vorsprung für Bowman von 16 Prozent, wenn auch die Befragten berücksichtigt wurden, die nur einem Kandidaten zuneigten. Am Ende gewann Bowman mit 15 Prozentpunkten Vorsprung gegen einen Politiker, der den Wahlkreis seit 1987 vertreten hat und laut Recherchen des »American Prospect Magazine« 45.000 US-Dollar für eine Befragung einer anderen Umfragefirma ausgegeben hatte, die Engels´ Team eine falsche Sicherheit suggerierte. Mehrere dutzend solcher Umfragen für progressive Kandidaten hat der Think Tank dieses Jahr durchgeführt.
Zuletzt hat Data For Progress auch Umfragen für die Wahlen zum US-Senat in den wichtigsten »Swing States« - in denen sich im November mutmaßlich entscheidet, welche Partei die obere Parlamentskammer kontrollieren wird -, veröffentlicht. Die zeigen, ähnlich wie die Umfragen anderer Institute oder Medien -, dass die demokratischen Kandidaten in Arizona, North Carolina, in Maine und in Iowa derzeit wenige Prozentpunkte vor den Amtsinhabern von den Republikanern liegen. Sie zeigen aber andererseits auch, dass selbst in den vier wichtigen Wechselwählerstaaten, die in den Medien immer als eher gemäßigt dargestellt werden, 53 Prozent aller Befragten den Vorschlag von Präsidentschaftskandidat Joe Biden unterstützen, die USA bis zum Jahr 2035 mittels staatlicher Investitionen in Höhe von zwei Billionen US-Dollar auf 100 Prozent erneuerbare Energien umzustellen.
Strategisches Spendensammeln
Data For Progress nutzt Datenanalysen auch ganz praktisch, um in Wahlkämpfe zugunsten progressiver Politiker einzugreifen. Damit die in der Trump-Ära hoch motivierte Demokratenbasis weniger Geld in nicht zu gewinnende Wahlkämpfe investiert und damit chancenlose Kandidaten mit Geld überhäuft - Amy McGrath in Kentucky, die den bei Demokraten verhassten Republikaner Mitch McConnell besiegen und in den US-Senat einziehen will, etwa - startete man 2019 das »Virginia Project«. Es wurde 2020 mit dem »Pennsylvania Project« fortgesetzt. Dabei machten sich die Zahlenaktivisten ein offenes Geheimnis unter Wahlkampfspendern in den USA zunutze. Bei Lokalwahlen beziehungsweise denen auf niedrigerer parlamentarischer Ebene sind Spenden einflussreicher.
Weil bei den Wahlen zu Staatsparlamenten die Wahlkampfbudgets der Kandidaten deutlich kleiner sind, hat der individuelle Graswurzelspender mit Kleinbeträgen, die sich aber zusammen mit anderen Spendern auf mehrere Tausende Dollar aufsummieren, einen deutlich größeren Einfluss, als wenn eine Vielzahl an Spenden in vielleicht letztlich nicht erfolgreichen Multimillionen-Kampagnen »versenkt« werden. Bei den Wahlen zum Staatsparlament Virginia etwa 2019 ging und ging es auch um eine wichtige strategische Frage, wer die Mehrheit im Staatsparlament kontrolliert.
Damit auch möglichst progressive Politik umgesetzt werden würde, nachdem die Demokraten an die Macht kommen, warb Data For Progress für die Unterstützung ausgewählter Politiker auf der Parteilinken, um sicherzustellen das »Virginia nicht nur ein Demokraten-Staat, sondern ein progressiver« wird und um die »Verbündeten von Dominion Energy im Staatsparlament zu ersetzen«. Gemeint sind wirtschaftsnahe Demokraten, die auf die Lobbyisten des Stromversorgers und Energiekonzerns hören, der bisher die Politik im Staat massiv beeinflusst hat.
In Virginia unterstützte Data For Progress zwei eher linke Demokraten für den Staatssenat, zwei progressive Kandidaten für das Staatsparlament und zwei lokale Bezirksstaatsanwälte. »Sie wurden nach verschiedenen Kriterien ausgesucht, etwa ob sie schon einmal Kandidat waren, wie viel Spenden sie eingesammelte hatten, wer sie unterstützte, ihre Biografie und Positionen«, sagt Nick Tagliaferro, Vorwahlexperte bei Data For Progress. Doch nur die zwei Staatsanwaltskandidaten konnten sich knapp durchsetzen und der demokratische Sozialist Carter Lee, der erneut ins Staatsparlament gewählt wurde. Zusammen mit dem Demokraten-nahen Blog Crooked Media sammelte DFP rund 250.000 Dollar, die über die auch an weitere Demokraten-Kandidaten gingen, in denen eine Analyse ein besonders enges Rennen vermuten ließ. Nicht alle dieser Kandidaten gewannen ihre Wahl, doch der vielfach knappe Ausgang zeige ein erfolgeiches »Targeting« umkämpfter Wahlkreise und Kandidaten, die besonders auf monetäre Hilfe angewiesen gewesen seien, so eine DFP-Analyse.
Ein Jahr später waren die Datenaktivisten in Pennsylvania erfolgreicher. Man sammelte Spenden für sieben Parteilinke, darunter eine demokratische Sozialistin und Amtsinhaberin, deren Posten gegen eine Vorwahlherausforderung von rechts »verteidigt« wurde. Summer Lee wurde wiedergewählt, vier der sechs Newcomer besiegten zum Teil langjährige Amtsinhaber, etwa Nikil Saval in einem Wahlkreis in Philadelphia.
»In Pennsylvania war die Erfolgsrate der von uns unterstützten Kandidaten größer. Das lag auch daran, dass es dort intensivere Bemühungen gab und das es vor Ort eine stärkere Linke gibt«, erklärt Tagliaferro. Die progressiven Wahlsiege seien vor allem wichtig, um linke Infrastruktur im Staat aufzubauen, meint er. Aber sollten die Demokraten im November die Mehrheit in beiden Kammern des Staatsparlamentes erringen – unwahrscheinlich, aber möglich – könnten die Parteilinken um Saval und Lee Zugeständnisse erreichen, wenn sie als Block ihre Zustimmung zu Gesetzen von einem Entgegenkommen der Parteiführung abhängig machen.
Tagliaferro und ein weiterer DFP-Analyst bieten zudem einen regelmäßigen Newsletter zu den parteiinternen Vorwahlen an. Der hält mehrere Tausend Interessierte auf dem Laufenden, aus linker Perspektive natürlich. Es wird fast immer eine Empfehlung für den »progressiveren« Kandidaten ausgesprochen. Außerdem gibt es Hintergründe und Kurzanalysen zu Trends in einzelnen Wahlkreisen und schnelle Prognosen sowohl vor als auch nach Vorwahlnächten.
Man wolle Möglichkeiten aufzeigen in linker elektoraler Politik aktiv zu werden, die Leser von »interessierten Beobachtern« zum Mitmischen in lokalen Kampagnen animieren. »Wir hoffen, Politik zugänglicher zu machen, mit weniger Insidersprache«, sagt Tagliaferro. Nach der Vorwahl in Minnesota Mitte August etwas schrieb er zufrieden, die linke Demokratin Ilhan Omar habe ihren »sehr gehypten« Vorwahlgegner, der mit »Millionen Dollar an schmutzigem Geld« vom Parteiestablishment unterstützt worden sei, »komfortabel« besiegt. Doch nicht nur die Wahl von Omar sei »good news«. Erfolgsmeldungen gebe es auf im Staatsparlament, wo mehrere Rennen »sehr gut für linke und progressive Kandidaten ausgegangen seien«. Sein Fazit zur Vorwahlsaison 2020: »Es ist gleichzeitig schrecklich und großartig. Es gibt diesen Widerspruch, Joe Biden als Präsidentschaftskandidaten zu nomieren, ein Mann, der für die Politik der Vergangenheit steht und gleichzeitig werden gerade auf allen Ebenen darunter moderate Demokraten von Progressiven und Parteilinken besiegt«. Man habe sich in der Partei als Flügel etabliert deren Interessen eine mögliche Biden-Regierung berücksichtigen müsse.
Gesetzesvorlagen und Jobprognosen für den »Green New Deal«
Und Data For Progress liefert nicht nur Umfragezahlen zu linken Themen oder Einschätzung zu den Kampagnen von Parteilinken von Staatsparlamenten bis zum US-Senat, sondern ist auch in die Ausarbeitung konkreter Vorschläge involviert. In Zusammenarbeit mit Akademikern und Parlamentariern unterstützte der Think Tank im Staatsparlament von New York eine Gesetzesvorlage zur Einführung eines Systems der automatischen Wählerregistrierung.
Nur wenige Staaten haben dafür ein automatisches System installiert, bei dem die Wählerverzeichnisse immer dann aktualisiert werden, wenn Bürger etwa bei einem Termin beim Kraftfahrzeugamt haben oder im Zuge eines Krankenhausbesuches in Kontakt mit dem Sozialstaat kommen. Da es in den USA keine Ausweispflicht und damit allgemeine umfassende Wählerlisten zum Abhalten von Wahlen gibt, müssen Wähler sich individuell registrieren – und stoßen dabei in vielen Staaten auf absichtlich aufgebaute Hürden. Ausgerechnet im von den Demokraten dominierten New York habe die Wahlbeteiligung bei den Zwischenwahlen 2018 deswegen nur bei 45 Prozent gelegen der »Empire State« liegt damit weit hinten unter den Bundesstaaten auf Platz 45, rechnet DFP vor. Das Wahlsystem in New York sei »eine nationale Schande«.
Nach monatelangem Aktivismus in Zusammenarbeit mit anderen Nichtregierungsorganisationen und progressiven demokratischen Parlamentariern, die Druck aufs Parteiestablishment ausübten, fand sich dann im Juli in beiden Kammern des New Yorker Staatsparlaments eine Mehrheit für die Gesetzesvorlage zur Einführung der automatischen Wählerregistrierung. Nun muss sie noch von Gouverneur Andrew Cuomo unterschrieben werden.
Über Umfragen hinaus gehen auch Analysen, die Wissenschaftler und die 36 »Fellows« erstellen, die mit Data For Progress kooperieren. Ein neues DFP-Papier etwa zeigt, wie viele neue Jobs der Umbau von öffentlichen Sozialwohnungen auf neue Klimaschutzstandards als Teil eines »Green New Deal« in einzelnen Kongresswahlbezirken im ganzen Land schaffen würde und – welche Durchschnittsgehälter dabei zu erwarten wären, ausgehend vom lokalen Durchschnittsverdienst. Landesweit wären es 240.000 Arbeitsplätze, die bevorzugt für Bewohner der Sozialbauten alleine bei der Umsetzung eines Teils des »Green New Deal« entstünden, wenn durch den Bundesstaat in einem Zeitraum von zehn Jahren 117 bis 172 Milliarden US-Dollar investiert würde, schätzen die Forscher von DWP, die an mehreren Universitäten arbeiten und die 41-seitige Analyse erstellt haben.
Vordenker McAuliffe arbeitet derweil bereits an neuen Projekten, durchkämmt derzeit die Ergebnisse mehrerer Volksabstimmungen in verschiedenen Bundesstaaten aus jüngster Vergangenheit. »Sogar in konservativen Staaten gab es Erfolge, eine Ausweitung der staatlichen Geringverdiener-Krankenversicherung Medicaid per Volksabstimmung zu erreichen«, so McAuliffe. Unterstützung für die Volksabstimmungen und zu pro-gewerkschaftlichen Gesetzesinitiativen »kann manchmal aus überraschenden Quellen kommen«. Andererseits hätten einige progressive Vorschläge in Umfragen »viel Unterstützung« erfahren, seien aber dann an der Urne nach »gründlichen und gut finanzierten Attacken« von Amerikas Unternehmen und Reichen sowie ihren Stiftungen und Lobbygruppen gescheitert. Es gebe »Grenzen«, wie viel Fortschritt mit Volksabstimmungen erreicht werden könne, so McAuliffe. »Doch ich denke, wir können mehr tun«.
Und er will die Demokraten weiter nach links drängen: »Es gibt einige Politiker aus dem Parteiestablishment, die uns zuhören, was mich manchmal überrascht. Trotzdem: Es gibt eine ganze Generation von konservativen und zentristischen Demokraten, die ersetzt werden müssen, und wir haben schon begonnen, auf die Vorwahlsaison 2022 hinzuarbeiten«.
Auch DFP-Wahlanalyst Nick Tagliaferro guckt schon nach vorne, ist »hoffnungsvoll« in dem, was er »den Kampf um die Kontrolle über die Partei« nennt. Progressive im Land könnten »soviel Gutes tun«, sollten sie es schaffen die Partei zu »übernehmen«. Der Konflikt zwischen dem Establishment und der Parteilinken würde nach einem möglichen Wahlsieg von Joe Biden schnell wieder ausbrechen und »überkochen«, ist sich Tagliaferro sicher. Angesichts der eher linken Einstellung vieler Wähler unter 50 »ist klar auf welcher Seite ich dann nicht sein will«, sagt der DFP-Analyst.
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