- Politik
- Methan
Das gefährliche Erbe der Bohrlöcher
US-Öl- und Gasindustrie unterschätzt Kosten für Stilllegungen
Nach einer Pause von mehreren Jahren steigen die globalen Methan-Emissionen wieder deutlich. Mittlerweile liegt die Konzentration des Treibhausgases in der Atmosphäre beim Zweieinhalbfachen des Werts vor Beginn der industriellen Revolution. Methan ist damit der wichtigste Treiber der Klimaerwärmung nach CO2.
Vor diesem Hintergrund stößt es auf Kritik, dass US-Präsident Donald Trump kürzlich wichtige Vorschriften für die Öl- und Gasindustrie gelockert hat. Diese muss nun nicht mehr regelmäßig nach Lecks suchen, aus denen Methan austritt, wodurch die Branche rund 19 US-Millionen Dollar pro Jahr spart. Selbst große Energiekonzerne wie Shell, BP und Exxon Mobile lehnen die Lockerung ab, von der kleinere Förderfirmen profitieren werden.
Die Methanemissionen der US-Öl- und Gasindustrie dürften aber noch aus einem anderen Grund steigen. Aus Kostengründen schließen die Unternehmen erschöpfte Bohrlöcher nicht, was hohe Kosten verursacht, sondern legen diese nur temporär still. Robert Schuwerk vom Umwelt-Thinktank Carbon Tracker kritisiert vor allem die US-Bundesstaaten: »Indem sie die Firmen nicht dazu gezwungen haben, die Stilllegungskosten über Rückstellungen vorzufinanzieren, ermuntern sie die Firmen, diese Kosten so lange wie möglich aufzuschieben.«
Zudem unterschätzt die Branche die tatsächlichen Kosten für eine sachgemäße Verfüllung der Bohrlöcher mit Zement. Sie rechnet mit Kosten von 20 000 bis 40 000 Dollar pro Bohrloch, wie es bei vertikalen Bohrlöchern mit einer Tiefe von weniger als 1500 Metern der Fall ist. Neue Bohrlöcher, bei denen mittels Fracking Öl und Gas aus dem Untergrund gepresst wird, sind jedoch meist doppelt so tief. Erfahrungswerte aus Australien zeigen, dass die Kosten für die Versiegelung exponentiell mit der Tiefe anwachsen. Gemäß Carbon Tracker sollte man mit Kosten von 300 000 Dollar pro Bohrloch mit einer Tiefe von 3000 Metern rechnen. Nicht einbezogen ist in diese Rechnung, dass bei neuen Bohrlöchern am tiefsten Punkt meist noch viele Hundert Meter weit waagrecht in den Fels gebohrt wird. Auch dieser Teil muss mit Zement gefüllt werden.
Experte Schuwerk sagt daher: »Die Pandemie und die Energiewende bergen die Gefahr, dass es nun zu einer Welle von Stilllegungen kommt, die die Industrie nicht bezahlen kann.« Dann bleiben an den Bundesstaaten die Kosten hängen. Und diese könnten beachtlich sein: Carbon Tracker geht davon aus, dass es in den USA 3,3 bis 4 Millionen Bohrlöcher gibt, die aktiv, ruhend oder aufgegeben sind.
Das Sozialisieren von Kosten gehört aber auch in Europa zum Geschäftsmodell der Branche. Kürzlich hat die Umweltorganisation Greenpeace zwei Krater im Boden der Nordsee entdeckt, aus denen Methan sprudelt. Sie sind Folge eines unkontrollierten Gasausbruchs bei einer Bohrung von Exxon Mobil vor 30 Jahren. Greenpeace-Meeresbiologin Sandra Schöttner sagt dazu: »Niemand will die Verantwortung übernehmen, das ist ein Skandal.«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!