Fahrgastverband fordert Notnetz in Berlin

Stadtteile fernab alternativer Fahrmöglichkeiten im Nahverkehr sollen bei Streiks nicht ganz abgehängt werden

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Tarifverhandlungen für die rund 14 600 Beschäftigten der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sind derzeit in eher ruhigen Fahrwassern. Am Dienstag haben sich der Kommunale Arbeitgeberverband (KAV) Berlin und die Gewerkschaft Verdi auf das weitere Vorgehen verständigt. Hauptforderung für die BVG ist eine einheitliche Wochenarbeitszeit von 36,5 Stunden. Diese gilt bereits jetzt für die Altbeschäftigten der BVG, die bei Einführung des Tarifvertrags Nahverkehr im Jahr 2005 bereits dem Unternehmen angehörten. Wer seitdem zur BVG kam, muss 39 Stunden pro Woche arbeiten.

Eine der drei vereinbarten Arbeitsgruppen widmet sich nur dem Thema Wochenarbeitszeit. Es ist auch der größte Brocken der Tarifforderungen der Gewerkschaft auf Landesebene, die Jeremy Arndt, Fachbereichsleiter Verkehr im Verdi-Landesbezirk Berlin-Brandenburg, auf 50 Millionen Euro taxiert. Die Geschäftsführerin der KAV Berlin, Anke Stier, zeigte sich am Dienstag zuversichtlich, beim nächsten Verhandlungstermin am 3. November weitere Vereinbarungen treffen zu können. »Jetzt nehme ich die Arbeitgeber beim Wort, dass sie Verhandlungsbereitschaft an den Tag legen«, sagt Arndt zu »nd«.

»Voraussetzung ist natürlich, dass die wirtschaftlichen Vorgaben der BVG beachtet werden«. erklärt Arbeitgebervertreterin Anke Stier. »Vor diesem Hintergrund wären weitere Arbeitskampfmaßnahmen kontraproduktiv.«

Vor dem letzten Warnstreik am Freitag vergangener Woche hatte der Berliner Fahrgastverband IGEB Verständnis für die Forderungen der Beschäftigten gezeigt. Doch für künftige Streiks fordert er eine Notdienstvereinbarung, mit der ein »Mindestangebot gesichert« werde. Das gelte vor allem für »Stadtteile, in denen bei einem BVG-Streik weit und breit kein S-Bahn- oder Regionalbahnhof zur Verfügung steht«, zum Beispiel in Kladow oder Hellersdorf. »Das ist vor allem eine Forderung an die Wirtschaftsverwaltung und die Verkehrsverwaltung«, sagt IGEB-Sprecher Jens Wieseke zu »nd«.

Die Verwaltung von Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) reagiert eher kühl auf die Forderung. »Eine Tarifauseinandersetzung ist die Angelegenheit der Tarifpartner«, erklärt ein Sprecher auf Anfrage. »Die BVG prüft derzeit in unserem Auftrag, inwieweit ein Notfahrplan erstellt werden kann, der eine ÖPNV-Anbindung von Stadtteilen ohne S-Bahnanbindung ermöglicht. Zudem sollen damit auch wichtige soziale Einrichtungen wie Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen mit dem ÖPNV erreichbar bleiben«, teilt Dorothee Winden mit, die Sprecherin von Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne).

»Wir haben mit den Gewerkschaften eine Notdienstvereinbarung, in der alles geregelt ist«, sagt BVG-Sprecherin Petra Nelken zu »nd«. »Rein theoretisch könnten wir dann auch wenigstens auf den Magistralen ein Rumpfangebot fahren«, so Nelken weiter. Beim letzten großen BVG-Streik 2008 sei das auch so gehandhabt worden. »Allerdings brauchen wir dafür einen längeren zeitlichen Vorlauf. Zwei, drei Tage wie bei den Warnstreiks reichen nicht.« Die ganze Disposition nicht nur der Fahrer, sondern auch der nötigen Beschäftigten im Hintergrund in der Leitstelle und den Werkstätten brauche eben länger. »Den Fahrern von Privatbetrieben, die in unserem Auftrag fahren, fehlt die Streckenkenntnis für andere Linien, auf denen sie benötigt würden«, so Nelken.

Gewerkschafter Arndt hält so einen Notbetrieb für schwierig. »Den Beschäftigten tut man damit keinen Gefallen. Die Kolleginnen und Kollegen, die unterwegs sind, sind dem Zorn der Fahrgäste ausgeliefert«, sagt Arndt.

Auf der Bundesebene gibt es allerdings noch keine Fortschritte. Die Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände lehnt einen bundesweiten Tarifrahmen für die Landes-Tarifverträge weiter ab. »Auch der KAV Berlin hat gegen bundesweite Verhandlungen gestimmt«, kritisiert Arndt.

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