Vorkauf nicht um jeden Preis

Friedrichshain-Kreuzberg will dem Wohnungskonzern Heimstaden Häuser verbilligt wegschnappen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

Starker Gegenwind für die weitere Expansion des skandinavischen Wohnungskonzerns Heimstaden in Berlin: Für bis zu zwölf Häuser könnte am Dienstag das Vorkaufsrecht ausgeübt werden. Dann läuft die Zwei-Monats-Frist dafür ab. »Es gibt aufgrund von Verkehrswertgutachten des Bezirks die Möglichkeit, das Vorkaufsrecht zum herabgesetzten Preis auszuüben«, sagt der Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne). Das bedeutet, dass die für die einzelnen Häuser gezahlten Preise zum Teil so deutlich über dem sowieso schon hohen Verkehrswert liegen, dass sie auf diesen abgesenkt werden können. Schmidt hatte dies bereits vermutet, nun hat er die Zahlen auf dem Tisch. »Als Käufer haben wir landeseigene Wohnungsbaugesellschaften und auch eine Genossenschaft im Boot«, erklärt er.

Sein Neuköllner Amtskollege Jochen Biedermann (Grüne) bereitet eine Ausübung zum zwischen Verkäufer und Käufer vereinbarten Preis vor. Dort war der Preis noch in einem Rahmen, der eine sogenannte Preislimitierung nicht hergibt, berichtet Biedermann auf nd-Anfrage. Er weist auch darauf hin, dass der Verkäufer bei der Preislimitierung ein Rücktrittsrecht hat.

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Die Häuser sind Teil eines 16 Liegenschaften umfassenden Portfolios, das Heimstaden von einer Gesellschaft kaufen will, die unter dem Namen Schönhaus einen großen Teil der Wohnungen möbliert und mit befristeten Verträgen für Kaltmieten von 16 Euro pro Quadratmeter und mehr vermietet hatte.

Noch hat Heimstaden allerdings die Gelegenheit, die Häuser trotzdem zu erwerben. Dafür müsste der Konzern sogenannte Abwendungsvereinbarungen unterzeichnen, in denen ein erweiterter Schutz von Mietern vor Aufteilung in Eigentum oder Modernisierungen und Mietsteigerungen für einen langen Zeitraum vereinbart wird. Bei Verstößen drohen empfindliche Strafen.

»Wir haben die Abwendungsvereinbarungen als Muster erhalten und die werden auch geprüft. Wir werden zeitnah und fristgerecht antworten«, erklärt Bernd Arts, Berliner Sprecher von Heimstaden, auf nd-Anfrage. Und schickt gleich noch hinterher: »Die Vereinbarung ist in der Form nicht für uns unterzeichenbar.«

Wie ein Insider erläutert, kann die Unterzeichnung einer Abwendungsvereinbarung »den Immobilienwert deutlich senken, was sich auch auf die Kreditvergabe der Banken auswirkt«. Heimstaden-Sprecher Arts sagt, die Firma verstehe, »worauf es der Berliner Politik auf dem Mietmarkt« ankomme. »Es wird am Ende des Tages ein für beide Seiten akzeptables Angebot geben«, verspricht Arts. »Wenn Heimstaden so gut ist, wie sie vorgeben, können sie auch einfach die Abwendungsvereinbarung unterschreiben«, findet Linke-Wohnungsexpertin Gaby Gottwald. »Es gibt eine große Entschlossenheit, den Vorkauf auszuüben«, sagt die Politikerin.

»Ein Verzicht auf Abwendungserklärungen kommt nicht infrage, weil damit das Gesamtsystem im Milieuschutz auf dem Spiel steht«, erklärt Baustadtrat Schmidt. »Das ist auch ein Test. Wenn Heimstaden nicht ordentlich abwendet, dann weiß man eigentlich schon, dass für die anderen rund 65 Häuser in Milieuschutzgebieten der Vorkauf geprüft wird.« Vor rund einem Monat hatte der Konzern den Kauf eines weiteren Pakets von 130 Häusern mit knapp 4000 Wohnungen bekanntgegeben. Rund 830 Millionen Euro hatte Heimstaden nach eigenen Angaben dafür gezahlt.

Die Grünen-Wohnungspolitikerin Katrin Schmidberger appelliert an den Senat, die Bezirke bei der Ausübung der Vorkaufsrechte zu unterstützen. »In Gesprächen hat Heimstaden bisher erklärt, auf die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen nicht verzichten zu wollen«, berichtet Schmidberger, was für sie »nicht akzeptabel« ist. »Wer ein dauerhafter und verantwortungsvoller Bestandshalter auf dem Berliner Wohnungsmarkt werden will, sollte kein Problem damit haben, die Regeln des Berliner Milieuschutzes einzuhalten und auf Umwandlungen zu verzichten«, so die Politikerin.

Bernd Arts kündigt an, dass Heimstaden die Wohnungen nicht weiter möbliert vermieten wird. »Das wird künftig nicht mehr stattfinden«, so Arts. Die Möbel würden gespendet, bestehende befristete Mietverträge in dauerhafte umgewandelt, wenn die Mieter das wollten, verspricht der Konzernsprecher.

»Ich freue mich über jedes Haus, das durch den Vorkauf aus diesem spekulativen Immobilienmarkt herausfällt«, sagt Jagna Anderson, Sprecherin der Initiative Fünf Häuser, die sich nach Bekanntwerden des Verkaufs der Schönhaus-Immobilien gegründet hatte, um die es bei den aktuellen Vorkäufen geht. »Aus der Perspektive der betroffenen Mieter*innen ist auch dieses Instrument des Vorkaufs offensichtlich nicht ausreichend. Denn nicht alle werden gerettet«, sagt sie. Es müsse eine umfassende Lösung gegen Verdrängung geben. »Wir bereiten uns auf eine längerfristige Kampagne vor«, kündigt sie an.

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