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Kräftemessen statt Abrüsten
USA weisen Putins Vorschlag zur Verlängerung des New-Start-Vertrages zurück
Auf der Internetseite der russischen Raketentruppen wird darüber berichtet, wie das Gesangs- und Tanzensemble der Teilstreitkraft Musikvideos produziert und junge Talente eine Uraufführung vorbereiten. Nur am Rande liest man etwas von einer Übung, an der jüngst 3000 Raketenspezialisten im Gebiet von Iwanow teilgenommen haben. Klingt alles friedlich - doch so ist die Welt nicht. Derzeit droht der letzte bestehende Abrüstungsvertrag zwischen den USA und Russland zu kippen, der beiden Seiten eine gewisse Beschränkung im Wettrüsten auferlegt.
Es geht um den New-Start-Vertrag, der seit dem 5. Februar 2011 in Kraft ist. Er begrenzt die russischen und US-amerikanischen Nuklearwaffenarsenale auf 800 Trägersysteme sowie 1550 einsatzbereite Atomsprengköpfe. Das reicht zwar noch immer für einen globalen Overkill, doch der Vertrag bietet zumindest Ansätze dafür, die strategischen Waffen beider Seiten besser unter Kontrolle zu halten. Doch am 5. Februar 2021 läuft das Abkommen aus.
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Russlands Präsident Wladimir Putin schlug der US-Seite nun eine Verlängerung des Abkommens um ein Jahr ohne Bedingungen vor. Es wäre »äußerst schade, wenn der Vertrag enden und nicht durch ein anderes grundlegendes Abkommen in diesem Bereich ersetzt würde«, sagte Putin am Freitag. Immerhin habe das Abkommen gut funktioniert und seine grundlegende Rolle zur Verhinderung eines Wettrüstens sowie bei der Rüstungskontrolle erfüllt. Da jedoch bisher alle Verhandlungen über einen neuen Vertrag im Nichts endeten, schlug der Präsident nun eine Interimslösung vor. So hätten die Unterhändler mehr Zeit, um Einzelheiten zu klären.
Wie lautet das Echo aus Washington? US-Präsident Donald Trump schickte seinen Nationalen Sicherheitsberater Robert O’Brien vor. Der erklärte, Putins Vorschlag sei »ein Rohrkrepierer«. Mit drohendem Unterton fügte er an: »Wir hoffen, dass Russland seine Position neu bewerten wird, bevor ein kostspieliges Wettrüsten einsetzt.« Damit bezog er sich auf einen US-Vorschlag, laut dem man bereit sei, den New-Start-Vertrag für eine gewisse Zeit zu verlängern - wenn Russland sein Arsenal taktischer Atomwaffen begrenzt. Wozu dann auch die USA bereit wären. So ein Einfrieren sei, so hieß es jedoch aus dem Moskauer Außenministerium, unannehmbar.
Macht das Aufrechnen taktischer Atomwaffen gegen strategische einen Sinn? Kaum. Zumal es die USA waren, die das in diesem Bereich bestehende Abkommen über die Begrenzung atomarer Mittelstreckenwaffen vor rund einem Jahr gekündigt haben. Der ständige Hinweis aus den Vereinigten Staaten, die taktischen und strategischen Nuklearraketen Chinas müssten in ein umfassendes Vertragswerk einbezogen werden, ist zwar nicht falsch, doch aktuell nicht durchsetzbar.
Überdies gibt es begründete Zweifel daran, dass die USA überhaupt so ein Abkommen wollen. Aktuell tourt Trump wahlkämpfend durchs Land und verkündet, die USA verfügten über die »mächtigste Waffe«, die jemals hergestellt wurde. Russland, China, Nordkorea und alle anderen Staaten der Welt »beneiden uns«, rief er unter dem Jubel seiner Anhänger aus.
Ähnliche Worte hörte man von Putin, als der über die neuen russischen Hyperschallraketen sprach, gegen die es keine Abwehrmöglichkeiten gibt. Zumindest verbal ist also das Wettrüsten im Gange. Und neue globale Krisen deuten sich an vielen anderen Stellen an, zumal die UNO paralysiert scheint und die OSZE nicht handlungsfähig ist.
In dieser Situation wäre es von Vorteil, wenn sich die Nato - auch im Namen anderer Staaten - für die Beibehaltung bestehender und den Abschluss neuer Abrüstungsverträge einsetzen würde. Doch das Bündnis - und damit auch Deutschland - organisiert das Gegenteil. Man will mitmischen im Aufrüstungswettstreit und setzt auf Konfrontation in neuen Dimensionen. 2019 hatten die US-Streitkräfte ein neues Führungskommando für Einsätze im Weltraum in Betrieb genommen. Unmittelbar danach erklärte auch die Nato das Weltall zu ihrem Operationsgebiet. Am Donnerstag nun wollen die Verteidigungsminister der 30 Nato-Staaten über den Aufbau eines Space Centers beraten. Es soll an das Nato-Luftwaffenoberkommando im rheinland-pfälzischen Ramstein angegliedert und später zu einem Zentrum für »Weltraum-Abwehrmaßnahmen« ausgebaut werden. Parallel dazu könnte in Kalkar (NRW) eine Art Thinktank für die Nato-Weltraumaktivitäten aufgebaut werden. Kommentar Seite 8
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