»Reine Profitgier«

Gewerkschaft kritisiert Aus für hessischen Coca-Cola-Standort

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Coca-Cola European Partners Deutschland GmbH hat vor wenigen Tagen die Absicht verkündet, den hessischen Standort Liederbach mit seinen Abfüllanlagen für Einweg- und Mehrwegpfandflaschen bis November 2021 zu schließen. Hier stehen derzeit knapp 420 Menschen in Lohn und Brot. Dem Vernehmen nach sind 261 Angehörige der Stammbelegschaft plus 10 befristet Beschäftigte von dem Kahlschlag betroffen.

Die Arbeitsplätze im Bereich Abfüllung sollen laut den Plänen ganz wegfallen. Das Unternehmen verspricht, rund 150 weiteren Werksangehörigen, darunter auch Auszubildenden, eine Weiterbeschäftigung in anderen Standorten von Coca-Cola wie Mannheim oder Karlsruhe anzubieten. Weitere Abteilungen in Liederbach sollen darüber hinaus an einen anderen Standort in der Region verlagert werden. Mit dem Aus in Liederbach wird es in Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland keinen einzigen Coca-Cola-Abfüllbetrieb mehr geben. Dies hat deutlich längere Transportwege und Umweltschäden zur Folge.

Die Nachricht traf die Beschäftigten wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Der Konzern begründet den Abschied von Liederbach nach einem halben Jahrhundert damit, dass ein Landwirt seinen angrenzenden Acker nicht verkaufen wolle und damit Erweiterungspläne ausgebremst worden seien. Demnächst führt der Betriebsrat Gespräche mit der Konzernleitung, die im Sinne eines Unternehmenstarifvertrags über die Einbeziehung der Arbeitnehmervertretung bei »Strukturveränderungen« vorgesehen sind. »Wir werden uns nicht so einfach abspeisen lassen«, sagt Betriebsratschef Imdat Erkan, der sich angesichts des Kahlschlags vom Konzern »betrogen« sieht.

Die Mitarbeitervertretung bekam auch Rückendeckung vom Landesbezirk Südwest der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Deren Chef Uwe Hildebrandt reagierte »mit großer Verärgerung« auf laufende bundesweite »Restrukturierungen« bei Coca-Cola, die neben dem Aus für Liederbach auch einen Teilabbau beim Mineralbrunnen Apollinaris in Bad Neuenahr (Rheinland-Pfalz) umfassen, der weitere 84 Jobs gefährdet. »Coca-Cola in Deutschland schreibt nach wie vor schwarze Zahlen«, so Hildebrandt. »Trotz Gewinnen Standorte zu schließen, zeugt nicht von einem verantwortungsbewussten Handeln gegenüber den Beschäftigten, die diese Gewinne erwirtschaftet haben. Das ist reine Profitgier«, kritisiert der Gewerkschafter.

Hildebrandt hält es zudem für »überaus frech, kurz nach einem erfolgreichen Tarifabschluss mit der NGG die Beschäftigten an den beiden Standorten derart vor den Kopf zu stoßen«. Die Beschäftigten verrichteten hervorragende Arbeit und seien auch unter Corona-Bedingungen »immer hoch motiviert und einsatzbereit« gewesen. Sie hätten es »nicht verdient, aus reinem Profitdenken aufs Abstellgleis geschoben zu werden«, so der Gewerkschafter. Man werde »um jeden einzelnen Arbeitsplatz kämpfen«.

Der Betrieb in Liederbach gilt als kämpferische NGG-Bastion. Von hier ging immer wieder ein internationaler Schulterschluss von Beschäftigten aus. So solidarisierte sich der Betriebsratsvorsitzende Imdat Erkan vor Jahren in Marseille mit dortigen Nestlé-Beschäftigten.

Im April 2017 nahmen zwei Betriebsräte aus einem Madrider Coca-Cola-Werk an einem NGG-Warnstreik in Liederbach teil. Sie schilderten ihren jahrelangen Kampf gegen die Schließung und für die Weiterführung des Betriebs. Eine für Dienstag in Frankfurt am Main vorgesehene internationale Zusammenkunft von Gewerkschaftern aus Coca Colabetrieben wurde unterdessen mit Rücksicht auf die Corona-Pandemie abgesagt und verschoben.

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