Die Vernetzer

Politiker und Soldaten distanzieren sich kaum von Uniter.

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 5 Min.

Die einleitenden Worte, die der damalige Major Marcel B. zur Vorstellung seines Buches »Die unsichtbaren Veteranen« an der Bundeswehruniversität in Hamburg fand, wirken knapp vier Jahre später aktueller denn je: »Wenn ich so hier in das Plenum gucke: Hier mischen sich aktive Soldaten, Reservisten, zivil Interessierte, Medienvertreter, Industrievertreter... Das freut mich wirklich.« Die rund zwanzigminütige Rede, die auf Youtube zu finden ist, diente der Werbung. Marcel B. beschreibt die Vernetzungsarbeit, die er gemeinsam mit seinem Einsatzkameraden Björn S. geleistet hat. Beide sind in Veteranenvereinen aktiv, die sich für einsatzgeschädigte Ex-Soldat*innen einsetzen. Sie haben Autor*innen für das Buchprojekt geworben und suchten sich politische Unterstützung bei Wehrbeauftragten und Verteidigungspolitikern. Eine Onlinegruppe unter dem Namen des Buchtitels wurde gegründet. Alles vorgeblich ehrenamtliches Engagement.

In den vier Jahren danach vernetzt Marcel B., mittlerweile zum Oberstleutnant befördert, hauptberuflich und bevorzugt online. Er nutzt den Titel »Leiter Social Media im Bundesministerium der Verteidigung« (BMVg), den er sich offenbar selbst verliehen hat. Als das NDR-Recherchemagazin »Panorama« im Sommer seine Nähe zu rechten Burschenschaften aufdeckt, nimmt man eilig Abstand vom Musteroffizier. Seine Karriere in der Öffentlichkeitsarbeit gilt als beendet, heißt es aus BMVg-Kreisen.

Mehr Infos

Bundeswehr – alles privat

Aktivitäten von Soldat*innen auf Instagram, Facebook, Twitter oder in Messengergruppen gelten für die Bundeswehr als privat. Broschüren des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst weisen diese Kanäle zwar als mögliche Kontaktorte aus, an denen Extremisten anzutreffen sind, bleiben jedoch überwiegend bei sehr oberflächlichen Darstellungen. Hinweise auf den seit Anfang 2020 vom Verfassungsschutz zunächst als Prüffall und aktuell als Verdachtsfall eingestuften Verein Uniter finden sich selbst in aktuellen Publikationen nicht.

Der Verein gilt nach »taz«-Berichten seit mehreren Jahren als Treffpunkt rechtsradikaler Prepper, die an einem Tag X Linke verschleppen und töten wollen. Auch der zeitweise unter Terrorverdacht stehende Offizier Franco A. war Mitglied in Uniter-Chatgruppen. Vereine, Traditionsgruppen oder die Militaria-Szene, die Uniformen sammelt und historische Kriegsspiele veranstaltet, werden nicht als problematisch geschildert.

Vereine – Freunde unter sich?

Aktive und ehemalige Soldat*innen sind in zahlreichen Vereinen organisiert. Neben dem staatlich bezuschussten Reservistenverband existieren etwa der Bund Deutscher Einsatzveteranen, die Combat-Veterans und Uniter, aber auch Vereine wie der Bund Deutscher Fallschirmjäger. Allen gemein ist eine ausgeprägte Erinnerungskultur. Getöteten Soldaten wird ebenso gedacht wie Gefechten in Auslandseinsätzen.

Insbesondere die Traditionskultur der Fallschirmjäger überschreitet jedoch die Grenzen dessen, was die Bundeswehr aktiven Soldaten erlaubt. Verbotene Sprüche aus Wehrmachtszeiten wie »Treue um Treue« werden mitunter trotzig weiter genutzt. Hinzu kommt die Verwendung von zahlreichen Symbolen, die als Ärmelabzeichen – Patches – in Onlineshops angeboten werden. Online verbreiten sich Memes und Symbole in Chatgruppen und Foren, sind Erkennungszeichen und Anknüpfungspunkte für politische Positionen. 

Security-Experten und Söldner

Uniter-Gründer André S. ist ehemaliger Soldat des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr und schuf einen Verein, der sich an Spezialkräfte aus Bundeswehr und Polizei richtet. Der von André S. genutzte Name »Hannibal« ist eine Referenz an die US-Serie »A-Team« aus den 80ern, in der Hannibal Anführer einer Söldnertruppe von Ex-Soldaten war. Die Verbindungen des Vereins reichen in rechte und konservative politische Strukturen. Verwicklungen des Militärgeheimdienstes mit dem Verein wurden bereits untersucht.

In seinen Chatgruppen wurden rechtsextreme Inhalte, Umsturz- und Mordfantasien geteilt. Seit zur Jahresmitte im Kommando Spezialkräfte rechtsradikale Strukturen nicht mehr zu leugnen sind, wird eine Reihe ziviler Sicherheitsfirmen untersucht, die teils von Angehörigen der KSK-Soldaten betrieben werden. Auch ehemalige KSK-Soldaten nutzen ihr Spezialwissen, gründen Sicherheitsfirmen und halten über Online-Medien Kontakt zur aktiven Truppe. 

Aus Veteranengruppen jedoch erhält er weiter Rückendeckung. Seine Anhänger überziehen den NDR mit einem Proteststurm. Noch vor der Ausstrahlung des Beitrags gilt Marcel B. als Opfer eines angeblichen Kampagnenjournalismus. Nicht nur Springer-Medien geben ihm Raum, sich zu entlasten. Marcel B. etabliert die Erzählung, es habe lediglich eine unabsichtliche Befürwortung rechtsextremer Inhalte gegeben. »Ich stehe nicht nur als Soldat voll und ganz auf dem Boden der freiheitlichen Grundordnung«, sagt er im Spiegel-Interview. Die nachvollziehbaren gefällt-mir-Klicks, seien ein Versehen gewesen.

Das Antifa-Rechercheteam »Affeu« hat in den sozialen Netzwerken die Verbindungen rund um Marcel B. untersucht. Dabei wurden Inhalte offenkundig, die mit der Vorbildfunktion eines Bundeswehroffiziers nicht vereinbar sind. Immer wieder tauchen dabei Bezüge zum Verein Uniter auf. Dieser steht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes, nachdem sowohl gegen den Gründer André »Hannibal« S. als auch gegen den Bundeswehroffizier Franco A. wegen Terrorverdachts ermittelt wurde, der Mitglied in Uniter-Chatgruppen war.

Marcel B. hinterließ auf dem Instagram-Profil »Black Ops Coffee BOC« viele Likes. Als »Black Operations« gelten die geheimen Einsätze von Spezialkräften. BOC wurde im November 2016 als Marke eingetragen - ihr damaliger Besitzer: Uniter-Gründer André S. Der krude und oft sexistische Humor der Beiträge richtet sich an dieselbe Zielgruppe - Polizei und Soldaten -, die auch Uniter im Blick hat. Im dazugehörigen Internetshop gibt es Kaffee, Tassen, T-Shirts und Ausrüstung. Marcel B. gefällt einiges auf diesem Profil. Unter den Likes: das Bild einer BOC-Tasse, die vor einem Stapel menschlicher Totenschädel fotografiert wurde. Regelmäßige Gefällt-mir-Bekundungen hinterließ auch sein Co-Autor Björn S., der sich in Facebook-Beiträgen mehrfach aktiv für den Verein Uniter aussprach.

Marcel B. erklärte seine fragwürdigen Likes für rechtsextreme Inhalte damit, er habe nicht genug aufgepasst. Auf dem Instagram-Profil des angeblichen Fallschirmjägers »Björn Mortar« ist die Zustimmung jedoch mehr als nur ein zufälliger Klick. Mortar inszeniert in mehreren Bildern eine Folterszene, die Waterboarding zeigt. Opfer dieser Foltermethode durchleben den Eindruck des unmittelbar drohenden Ertrinkens. Die Methode gilt als »weiße« Folter, die nicht nachweisbar, aber hochgradig traumatisierend ist. Um dieses Bild zu sehen, muss eine Sperre überwunden werden, die vor verstörenden Inhalten warnt. Das Like von Marcel B., das »Affeu« Anfang September dokumentierte, ist mittlerweile wieder zurückgenommen. In unregelmäßigen Abständen kam es in den vergangenen Jahren innerhalb der Bundeswehr zu Vorfällen, bei denen Folter mindestens geübt, aber auch praktisch angewendet wurde. Der ehemalige Guantanamo-Häftling Murat Kurnaz gab zu Protokoll, von zwei KSK-Soldaten während seiner Haftzeit misshandelt worden zu sein.

Zum Fall Marcel B. will die Bundeswehr aufgrund laufender Ermittlungen keine Stellung nehmen, gab jedoch bereits bekannt, zahlreiche seiner Online-Aktivitäten als »privat« und damit außerhalb des Handlungsbereiches dienstlicher Disziplinarmaßnahmen zu sehen.

Dass Ex-Soldaten und Spezialkräfte mit Foltermethoden sympathisieren, zeigt eine weitere Social Media Plattform. »German Tactics« adressiert ebenso wie Uniter deutsche Spezialkräfte, betreibt einen Onlineshop und deckt Soldatenthemen ab. Was Folter betrifft, weiß man dort das Waterboarding an Grausamkeit noch zu überbieten. Im Shop ist ein Ärmelaufnäher, englisch Patch, zu finden, auf dem es in englischer Sprache heißt: »Es ist kein Waterboarding, wenn du Diesel verwendest.« Betrieben wird diese Seite vom Söldner Dominik S., dessen Social-Media-Aktivitäten nach den Recherchen von »Affeu« immer wieder Uniter-Bezüge aufweisen.

Bislang scheint gegen diese Formen der Onlinevernetzung wohl aufgrund mangelnder oder schwer herzuleitender Straftatbestände nichts unternommen zu werden. Besonders irritierend ist die Uniter-Nähe aber dort, wo sie im realen Leben stattfindet. Fotos, die auf Twitter zu finden sind, zeigen den Parlamentarischen Staatssekretär Peter Tauber (CDU). Der scheidende BMVg-Beamte ist auch Reservist und verfasste offenbar einen Dankesbrief an Leif S., der damals bei Uniter Mitglied war. Ein Bild von Tauber in Uniform zeigt ihn mit einen Ärmelaufnäher eines Soldatenprojektes von Leif S. Auf nd-Anfrage teilte das Verteidigungsministerium mit, es könne »weder bestätigt noch ausgeschlossen werden, dass es sich um ein Schreiben aus der Hand des Staatssekretärs handelt«.

Bei Uniter-Fans galten solche Schreiben oder auch Fotos mit hochrangigen Politikern als Unterstützungsbekundung der eigenen Sache. Uniter sieht sich derzeit angegriffen und droht in einem Facebook-Posting in Richtung von Journalisten, Verfassungsschutz und Politik. Der Verein habe »Augen und Ohren in Ämtern, Behörden und Parteien«, heißt es dort, und sei das Opfer einer Kampagne. Wie zum Beleg der angeblich friedlichen Ausrichtung des Vereins schließt der Beitrag mit einem Zitat von Sophie Scholl.

Zu Unrecht angeprangert sahen sich auch Marcel B. und Björn S. und genießen weiterhin die Unterstützung von Peter Tauber, der in einem Instagram-Posting von einem privaten Treffen schrieb. Eine Distanzierung Taubers vom Verein Uniter ist bislang nicht zu finden. Dafür aber twittert er reichlich Moltke-Zitate: »Die Armee ist ein Teil des Volkes, und nicht der schlechteste.«

[Korrektur: Das angesprochene Zitat stammt von Helmuth James Graf von Moltke. In einer früheren Version war es »Molkte, dem Älteren« zugeschrieben. Peter Tauber verwendet den Hashtag #Moltkezitate für beide Zitatgeber]

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.