Klopapier und Wertpapier
Sieben Tage, sieben Nächte
Unter Aktienspekulanten herrscht stets Bedarf an Indikatoren, die möglichst zeitnah anzeigen, wie es um die Wirtschaft steht. Denn wer an der Börse das Morgen handelt, weiß am besten schon gestern, was heute passieren wird. Zu diesem Zwecke findet unter Spekulanten derzeit ein Indikator verstärkte Aufmerksamkeit: der Absatz von Klopapier. Denn der steigt, und was gut ist fürs Klopapier ist schlecht fürs Wertpapier.
Laut Commerzbank »zeigen an Scannerkassen der Supermärkte erhobene Daten, dass der Absatz von Toilettenpapier in der 42. Kalenderwoche fast wieder doppelt so hoch war wie in Vor-Corona-Zeiten«. Bei anderen Hygieneartikeln wie Seife und Desinfektionsmittel lag der Absatz 60 bis 70 Prozent über Normalniveau. Vorausgesetzt, die Deutschen hat nicht der Durchfall oder der Reinlichkeitswahn ereilt, handelt es sich hierbei wohl um einen Fall von Hamstern. Offensichtlich macht sich die Bevölkerung wieder Sorgen, die sie mit Hygieneartikeln zu dämpfen sucht. Für die Finanzmärkte eignet sich dieses Hamstern als sogenannter Kontra-Indikator nach dem Muster: Steigt Klopapier, fallen die Kurse. Und tatsächlich - in der von der Commerzbank betrachteten Woche sank der Deutsche Aktienindex (Dax) von 13 138 auf 12 855 Punkte und danach weiter.
Das ist auch logisch, bildet der Dax ja nicht die erwarteten Profite der Klopapierhersteller ab, sondern die spekulativ hochgerechneten Erträge von Firmen wie VW, Siemens oder Deutsche Bank. Belastet werden deren Kurse durch die - am Klopapierabsatz ablesbare - Möglichkeit einer neuerlichen Schließung von Büros und Fabriken.
Dies jedoch scheint derzeit unwahrscheinlich zu sein. Laut neuen Verordnungen sollen die Deutschen in nächster Zeit bloß soziale Kontakte meiden, nicht so viel in Geschäfte gehen; zudem wird der Zugang zu Alkohol in Kneipen und Spätis eingeschränkt.
Daraus könnte man schließen, dass es sich bei Sars-CoV-2 um ein eher arbeitsscheues Virus handelt, das Fabriken und Büros offensichtlich meidet. Augenscheinlich zieht das Virus das Privat- und Familienleben vor, schätzt den Alkohol, steht spät auf und wird erst am Abend so richtig munter, weswegen Kioske und Bars früh schließen und die Menschen ihre Sozialkontakte einschränken müssen.
Diese Einschränkungen verkraftet die deutsche Industrie eher leicht - ihr Geschäft wird nicht bedroht und damit auch nicht ihre Aktienkurse. Volkswirtschaftlich sind die Einschränkungen preiswert. »Maßnahmen«, so die Commerzbank, »wie das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung, die Senkung der Obergrenze für Feiern oder die Begrenzung von Kontakten betreffen den persönlichen Bereich und haben keinen unmittelbaren Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen.« Eine neuerliche Rezession erwartet die Bank nicht.
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