Trump spielt Trümpfe aus
Mit dem Sudan nimmt weiteres Mitglied der Arabischen Liga diplomatische Beziehungen zu Israel auf
Ein paar simple Telefonanrufe bei der Regierung des Sudan, im Außenministerium des Landes reichen, um einen Einblick in die politische Lage in dem nordostafrikanischen Land zu erhalten. Gerade hat US-Präsident Donald Trump bekannt geben lassen, dass der Sudan seine Beziehungen zu Israel normalisieren wird. Doch im Umfeld des sudanesischen Regierungschefs Abdalla Hamdock und seines Kabinetts kann niemand sagen, was los ist: »Israel? Wir haben keine Beziehungen zu Israel«, brüllt ein Mitarbeiter des Außenministeriums schon wenige Sekunden nach Beginn des Gesprächs auf Englisch ins Telefon. Und ein Mitarbeiter Hamdocks windet sich: »Wir leben in schwierigen Zeiten«, sagt er, »ich muss mich erst einmal besprechen.«
In Israel selbst hat man die Ankündigung eher abwartend zur Kenntnis genommen: Ja, man wolle Beziehungen zum Sudan, heißt es quer durchs politische Spektrum, aber nein, man wolle keine Destabilisierung der Hamdock-Regierung riskieren.
Denn auch wenn beide Länder weit auseinander liegen, haben die Verhältnisse im Sudan eine große Bedeutung für Israel: Tausende Sudanesen sind im Laufe der vergangenen Jahre nach Israel geflohen, sorgen dort immer wieder für heftige Debatten. Und der vor eineinhalb Jahren abgesetzte Diktator Omar al Baschir galt als Unterstützer von militanten palästinensischen Organisationen wie der Hamas und dem Islamischen Dschihad. Der Sudan soll zudem auch als Durchgangsland für den Waffen- und Bargeldschmuggel in den Gazastreifen dienen: In sudanesischen Häfen werden die Lieferungen an Land gebracht, und über die nur schwer kontrollierbare Grenze nach Ägypten per Lastwagen über die Sinai-Halbinsel in den Gazastreifen transportiert. Auf dem Sinai liefern sich ägyptisches Militär und islamistische Gruppen seit Jahren heftige Gefechte.
Die Rechnung aus Sicht des Weißen Hauses ist also einfach: Dort macht man keinen Hehl daraus, dass die Bereitschaft Hamdocks zur Aufnahme von Beziehungen mit der Streichung von der Liste der Terrorstaaten, auf der der Sudan seit 1994 steht, und damit dem Zugang zu dringend benötigten Krediten des Internationalen Währungsfonds versüßt wurde. Im Gegenzug wird erwartet, dass die Regierung in Khartoum ihre nach Israel geflohenen Bürger zurücknimmt und die Häfen streng kontrolliert. Trumps Gewinn: Er kann sich, nachdem schon vor einigen Monaten die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Bahrain diplomatische Beziehungen zu Israel aufgenommen haben, nun kurz vor der Wahl erneut als Friedensstifter feiern.
Doch der Narrativ des Weißen Hauses hat Schönheitsfehler: Offiziell haben nun, zusammen mit Jordanien und Ägypten, fünf der 22 Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga offizielle Beziehungen zu Israel aufgenommen; von »historischen Ereignissen« ist die Rede. Dass andere Abkommen vorher gescheitert sind, wird dabei nicht erwähnt: So hatte Mauretanien 1999 vollständige Beziehungen zu Israel aufgenommen, diese aber nach Ausbruch der Zweiten Intifada wieder beendet.
Bahrain und die VAE sind zwar, wie der Sudan, Mitglieder der Arabischen Liga, haben aber nie Krieg gegen Israel geführt. Das Militär des Sudan indes entsandte während des israelischen Unabhängigkeitskrieges ungefähr 600 Mann. In Khartum verabschiedete die Arabische Liga auch 1967 ihre drei Neins in Bezug auf Israel: keine Anerkennung, keine Verhandlungen, kein Frieden. In den Medien des Sudan, auf den Lehrplänen war die Ablehnung Israels ein ständig wieder kehrendes Thema, begleitet von Berichten über angebliche Gräueltaten des israelischen Militärs. Die Indoktrination sitzt tief, auch in Politik und Militär, den vielen Interessengruppen, die derzeit um mehr Einfluss ringen. Mit einem baldigen, echten Frieden ist deshalb nicht zu rechnen; überhaupt ist offen, ob die Verträge von langer Dauer sein werden, denn 2022 soll im Sudan gewählt werden. Wie dann die politische Stimmung sein wird, ist völlig unklar.
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