Lübcke-Prozess: Urteil für 1. Dezember erwartet

Ende November sollen im Gerichtsverfahren um den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten die Plädoyers gehalten werden

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Prozess um den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und den versuchten Mord an Ahmed I. könnte am 1. Dezember das Urteil fallen. Thomas Sagebiel, Vorsitzender Richter des 5. Strafsenats Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt, visierte am Dienstag für den 24. November die Plädoyers von Bundesanwaltschaft und Nebenklägern an – vorausgesetzt, dass die Beweisaufnahme und die Vernehmung der noch ausstehenden Zeugen und Sachverständigen planmäßig abgeschlossen werden. Am 26. November könnten dann die Verteidiger plädieren, und »am 1. Dezember könnten wir das Urteil verkünden«, sagte er über die Planungen des Senats.

Seit Juni steht Stephan Ernst in Frankfurt vor Gericht. Er ist angeklagt, Walter Lübcke am 1. Juni 2019 auf seiner Terrasse in Wolfhagen-Istha ermordet zu haben. Ernst ist auch des versuchten Morde am irakischen Flüchtling Ahmed I. angeklagt. Wegen psychischer Beihilfe am Mord an Lübcke ist sein früherer Arbeitskollege Markus H. angeklagt. Nach Ernsts drittem Geständnis hat er selbst die Waffe abgefeuert, Markus H. soll dabei gewesen sein.

H. soll Ernst laut Anklage politisch beeinflusst haben. Die Bundesanwaltschaft geht von einem rechtsextremistischen Tatmotiv aus. Der CDU-Politiker Lübcke hatte auf einer Bürgerversammlung im Oktober 2015 in Lohfelden über die Einrichtung einer neuen Flüchtlingsunterkunft im Ort gesprochen und auf Provokationen hin gesagt: »Es lohnt sich, in unserem Land zu leben. Da muss man für Werte eintreten, und wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Das ist die Freiheit eines jeden Deutschen.« Markus H. filmte die Aussage und stellte ein Video davon ins Netz. Dieses zog eine Welle von Hassnachrichten nach sich, die noch jahrelang anhielten. Ernst hatte die Veranstaltung zusammen mit H. besucht und nannte sie in Vernehmungen den Auslöser für seinen Hass auf Lübcke, für den er daraufhin alle flüchtlingspolitischen Entscheidungen der Bundesregierung verantwortlich machte.

Der Aussage eines Kriminalpolizisten vom Dienstag zufolge wurden bei Ernst nicht nur ein Autogramm eines rechtsextremen Rappers und ein Text mit antisemitischen Verschwörungstheorien gefunden, sondern auch Dossiers aus den »frühen Nuller Jahren« über Menschen, die in Kassel politisch aktiv waren - unter anderem den Oberbürgermeister, den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde und des Ausländerbeirats. Ernst war in der Anti-Antifa aktiv, die politische Gegner ausspähte.

In der Wohnung von H. wurden unter anderem Nazi-Devotionalien, Rechtsrock-Musik und Goebbels-Texte auf der Festplatte gefunden, so der Zeuge. In einem von einem neu-rechten Verlag herausgegebenen Buch sei eine Textstelle über Lübcke angestrichen gewesen. In dem Abschnitt sei es um die Bürgerversammlung in Lohfelden gegangen.

Ernsts ehemaliger Verteidiger Frank Hannig hat unterdessen nun selbst juristische Probleme: Die Staatsanwaltschaft Kassel ermittelt gegen ihn wegen des anfänglichen Verdachts der Anstiftung zur falschen Verdächtigung, wie ein Behördensprecher laut dpa sagte. Hannig soll Ernsts zweites Geständnis zum Teil erfunden und ih zu der Falschaussage gebracht haben, nicht Ernst habe auf Lübcke geschossen, sondern H. Nachdem Hannig auch Anträge im Namen von Ernst gestellt hatte, die mit diesem aber nicht besprochen waren, entzog Ernst ihm das Vertrauen. Das Gericht entzog ihm sein Mandat.

Bisher ging es im Prozess hauptsächlich um den Mord an Walter Lübcke. Am Donnerstag soll Ahmed I. aussagen. Die Initiative 6. April ruft zu solidarischer Prozessbeobachtung und mittags zu einer Kundgebung vor der Generalbundesanwaltschaft auf. Mit Agenturen

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