Hinweise auf rechte Brandstifter

Anschläge auf Migranten im Bremer Umland - Flüchtlingsberater vermuten hinter den Attacken eine Serie

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Bremervörde, Vegesack, Ganderkesee, Beverstedt, Syke und Gnarrenburg: Sechs der unweit von Bremen gelegenen Orte im Norden Niedersachsens, die in vergangenen Monaten von vermutlich rechtsextremen Brandstiftern heimgesucht wurden. Deren Ziele waren, jüngst im Oktober, von Migranten geführte Gaststätten und auch eine Wohnung, in der Schutz suchende Menschen eine neue Heimat gefunden hatten. Hakenkreuze, weitere Nazisymbole und die Parole »Ausländer raus«, an die ausgebrannten Gebäude geschmiert, deuten auf den Täterkreis hin. Das meinen der Flüchtlingsrat sowie die Beratungsstellen für Betroffene von rechter und rassistischer Gewalt in Niedersachsen.

Jene Organisationen haben aktuell an Politik und Behörden appelliert: Die Ermittlungen zu den Anschlägen im Bremer Umland müssten in den Kontext rechter Gewalt gestellt und in ihrer Gesamtheit als eine Serie betrachtet werden. Es sei bekannt, dass in der betroffenen Region »eine aktiv extrem rechte Szene« bestehe. Geprägt sei sie vor allem durch Personen und Strukturen aus dem Bereich rechter Hooligan-Gruppierungen, dem Rechtsrock-Milieu sowie von sogenannten Bruderschaften und Kameradschaften. Akteure und Akteurinnen aus diesen Kreisen seien bereits mehrfach durch Gewalttätigkeit aufgefallen; die Gefährdung von Menschen durch diese rechten Strukturen müsse »endlich ernst genommen« werden, mahnen die Flüchtlingsberater.

Erst vor knapp drei Wochen war in Ganderkesee, einer etwa 20 Kilometer von Bremen entfernten rund 31 000 Einwohner zählenden Gemeinde im niedersächsischen Kreis Oldenburg, des Nachts ein Feuer mit eindeutigen Hinweisen auf rechtsextreme Täter ausgebrochen. Die Flammen wüteten im ehemaligen Bahnhofsgebäude, in dem seit geraumer Zeit das Restaurant »Don Gantero« und die gleichnamige Cocktailbar zu finden sind.

Über 100 Feuerwehrleute eilten zum Ort des Geschehens, aber: Sie konnten nicht verhindern, dass das Haus ausbrannte. Ersten Schätzungen zufolge muss von 500 000 Euro Gesamtschaden ausgegangen werden. Der davon betroffene Besitzer der Gaststätte ist ein Mann mit Migrationshintergrund. Die Brandstifter, die seine wirtschaftliche Existenz vernichten wollten, haben Brandbeschleuniger eingesetzt, ist einer Polizeimeldung zu entnehmen. Doch nicht nur solche Substanzen fanden die Beamten an der Brandstätte. Auch eine Hakenkreuzschmiererei hatten die bislang unbekannten Täter hinterlassen und auch die Zahl 88. Zweimal die Acht als Hinweis auf den achten Buchstaben des Alphabets, auf das doppelte H. Ein von Rechtsextremisten bekanntlich gern genutztes Kürzel für »HH«, für den Nazigruß »Heil Hitler«.

Das Feuer in Ganderkesee und auch die Brände, sie sich in den Monaten zuvor ereignet hatten, haben nach Ansicht von Flüchtlingsunterstützerinnen und -unterstützern das Ziel, ein Klima der Angst zu erzeugen und Migranten einzuschüchtern. Dem müsse Einhalt geboten werden. Bislang aber werde seitens der Ermittlungsbehörden nicht konsequent von rechten Motiven und auch nicht von einer Serie ausgegangen, mahnen kritische Stimmen, unter ihnen André Aden vom Mobilen Beratungsteam gegen Rassismus. Er erinnert an die NSU-Morde, die viele Jahre lang nicht als Serie erkannt wurden. Wie der Rechtsextremismus-Experte informiert, prüfe die Staatsanwaltschaft Oldenburg, ob und inwieweit die Brandanschläge zusammenhängen.

Diese Frage will auch die Fraktionsvorsitzende der oppositionellen Grünen im niedersächsischen Landtag, Julia Hamburg, beantwortet sehen. Sie fordert: »Die Landesregierung muss dringend für Aufklärung sorgen, ob es sich bei den Anschlägen um eine rechte Brandserie handelt.« Sollte dies so sein, müssten alle ungeklärten Brände in diesem Jahr auf derartige Hinweise erneut überprüft werden.

Die Abfrage rechtsextremistischer Straftaten, die Festnahmen von Mitgliedern militanter neonazistischer Gruppen und Waffenfunde haben nach Ansicht der Politikerin gezeigt, »dass es in Niedersachsen eine offensiv auftretende rechte Szene gibt«. Brandanschläge auf Gaststätten von Menschen mit Migrationshintergrund seien der nächste Eskalationsschritt. Die Kapazitäten in den Sicherheitsbehörden zur Fallbegleitung müssten erhöht werden, um schnellstmöglich die Täter zu ermitteln. »Im Zweifel gilt es, dadurch den nächsten Anschlag zu verhindern«, betonte die Grünen-Fraktionschefin.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.