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- Wahlen in den USA 2020
Eine gefährliche Hinterlassenschaft
Wolfgang Hübner über die düstere Bilanz des Donald Trump - egal, ob wiedergewählt oder nicht
Ganz egal, ob Donald Trump nach dieser Wahl Präsident der USA bleibt oder nicht - ein paar äußerst zweifelhafte, aber leider bleibende Verdienste hat er sich erworben. Neben anderem gehören dazu die forcierte soziale und politische Spaltung des Landes; die Hervorhebung des Nationalen, ja Nationalistischen; ein exponierter und unverschämter Rassismus und Sexismus; die Vergiftung des politischen Klimas; die schamloseste Klientelwirtschaft an der Spitze dieses mächtigen, einflussreichen Staates; die endgültige Etablierung der Lüge als politischer Normalfall. Alles in allem ein rabiater Rechtsruck, der mit einem Ende dieser Präsidentschaft nicht einfach rückgängig zu machen ist.
Zu Trumps fatalsten Fehlleistungen gehören die zahlreichen Verletzungen demokratischer Grundregeln, das beständige Spiel mit der Grenzüberschreitung. Mal war es die Überlegung, die Wahl zu verschieben, mal die wüste Polemik gegen die Briefwahl, mal die Drohung, das Ergebnis nicht anzuerkennen, wenn es ihm nicht gefallen sollte. Dazu passt als finale Eskalation die düstere Ankündigung mitten in der landesweiten Stimmauszählung, ebendiese Auszählung per Gerichtsbeschluss stoppen zu lassen.
Das alles mag aus europäischer Sicht lächerlich wirken und ist es auch. Die Wirkung ist dennoch verheerend. Denn zahlreiche Trump-Anhänger, durch die jahrelange ruppige Rhetorik auf Krawall gebürstet, sind durchaus bereit, ihren Guru mit Gewalt zu unterstützen. Beispiele dafür gibt es zur Genüge. Was in den USA, wo praktisch jedermann Schusswaffen besitzen darf, nicht nur ein paar Straßenschlägereien bedeuten würde.
Selbst vor einem offenen Kokettieren mit militanten Rechtsextremisten scheute Trump nicht zurück. Er betrachtet alles - die Wähler, das Parlament, die ihn stützende Partei der Republikaner, die Medien, die Justiz, letztlich den Staat überhaupt - als willfährige Verfügungsmasse, um seine politischen und privaten Ziele zu erreichen. Wobei er zwischen politisch und privat absichtsvoll nie eine klare Trennung vollzogen hat. »Der Staat bin ich« - diese Äußerung, dem französischen Sonnenkönig Ludwig XIV. zugeschrieben, steht wie ein unausgesprochenes Motto über Trumps Präsidentschaft.
Ein Staatschef, der auf diese Weise vier Jahre lang Hass gesät hat und alles verächtlich macht, was nicht in seine kleinkarierte Weltsicht passt, rechnet natürlich damit, dass der Sturm losbrechen könnte. Bis in die Stunden nach der Wahl erweist sich dieser Mann als ein Antidemokrat, der mit den Spielregeln spielt wie mit allem anderen und von dem sich die autokratischen Führer sogenannter Schurkenstaaten noch einiges abschauen könnten. Trump hat politische Verwüstungen angerichtet, die weit über seine Amtszeit hinausreichen.
Wenn sein Ära zu etwas taugt, dann ist es vielleicht dies: Sie ist eine dringende Erinnerung daran, wie schnell es gehen kann, dass politischer und menschlicher Anstand nur noch wenig gelten - selbst in einem Land, das sich selbst für seine demokratischen Traditionen feiert.
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