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Schlecht für Arbeitnehmer, aber gut für Aktien
Nach der Krise droht den abhängig Beschäftigten ein »brutalerer Kapitalismus«.
Die zweite Corona-Welle rollt und wird die Konjunktur bremsen. Die Wachstumsverluste addieren sich zu den bereits aufgelaufenen Kosten der Pandemie. In ihrem Zuge dürften die Staatsschulden der Industrieländer auf 125 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung steigen. Die Kosten der Krise werden auf Dauer aber kaum die großen Unternehmen tragen, zumindest wenn die Vergangenheit ein Leitfaden ist.
Derzeit geht es mit den Konzerngewinnen steil bergab. Im zweiten Quartal 2020 lagen die Profite der großen europäischen Aktiengesellschaften nur halb so hoch wie im Vorjahresquartal. Im dritten Quartal wird das Minus noch ein Viertel betragen haben.
Die Wirtschaftsleistung der Eurozone dürfte dieses Jahr um 6,5 Prozent schrumpfen. Sie wäre damit zwar fast so hoch wie die von 2017, was als gutes Jahr galt. Doch zählt im Kapitalismus nicht die Wirtschaftsleistung, sondern die Rate ihrer Steigerung. Und diese Rate wird durch die Pandemie dauerhaft gesenkt. Die französische Bank Natixis errechnet, dass das Bruttoinlandsprodukt voraussichtlich dauerhaft vier Prozent niedriger ist, als es ohne Pandemie gewesen wäre. Dieses geringere Wachstum gilt nach herrschenden Maßstäben als Verlust.
Angesichts geringerer Wachstumsraten stehen den Unternehmen einige Möglichkeiten zur Verfügung, ihre Gewinne zu schützen, insbesondere durch die Senkung ihrer Lohnkosten: Sie können Produktion ins billigere Ausland verlagern, zum Beispiel in die Schwellenländer, wo die Löhne im Durchschnitt etwa halb so hoch sind wie in den Industrieländern. Sie investieren mehr in arbeitsplatzsparende Technologie - laut einer Umfrage der Unternehmensberatung E&Y erwarten über 80 Prozent der europäischen Firmenchefs eine Beschleunigung der Automatisierung in Folge der Pandemie.
Zudem bauen die Firmen Jobs und damit Lohnkosten ab. Die steigende Arbeitslosigkeit verschlechtert die Verhandlungsposition der Gewerkschaften, was auf die Lohnentwicklung drückt. Und schließlich könnte das global schwächere Wachstum laut Natixis dazu führen, dass Länder ihre Kapitalsteuern weiter drücken, um Investoren anzuziehen. Seit 1990 ist der Steuersatz auf Unternehmensgewinne in den Industrieländern von durchschnittlich 42 auf 27 Prozent gesunken, was die Unternehmensgewinne stützt. So hat die Steuersenkung in den USA 2018 dazu geführt, dass die Gewinne der großen US-Aktiengesellschaften um 23 statt der erwarteten 13 Prozent zulegten, errechnet das britische Analysehaus Lipper Alpha.
Dass es den Konzernen der Industrieländer in den vergangenen Krise gelang, ihre Situation per Saldo zu verbessern, zeigt der Anteil ihrer Nachsteuergewinne an der gesamten Wirtschaftsleistung. Dieser Anteil lag 1995 bei 13 Prozent und stieg bis 1998 über 14 Prozent. Im Zuge der Dot-Com-Krise Anfang der 2000er fiel er wieder auf 13 Prozent, legte anschließend aber auf 15 Prozent zu. In der Finanzkrise ab 2008 fiel der Anteil der Gewinne wieder auf 13,5 Prozent, kletterte bis 2017 aber auf fast 17 Prozent. In dieser Zeit lag die Rendite für Aktionäre stets zwischen 8 und 16 Prozent.
Laut Natixis habe die Vergangenheit gezeigt: Nach jeder Rezession fiel der Anteil der Löhne an der Wirtschaftsleistung weiter. »Dies wird auch nach der Covid-Krise der Fall sein.« Statt eines stärker »inklusiven« Wachstums, so die Bank, sei nach der Krise eher ein »brutalerer Kapitalismus« zu erwarten. »Das ist negativ für die Nachfrage der Haushalte, aber positiv für Aktien.«
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