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»Islamismus ist ein Auswuchs des Patriarchats«
Dastan Jasim hat nach dem Attentat in Wien gemeinsam mit anderen Frauen und Queers einen Brandbrief gegen deutsche Symbolpolitik veröffentlicht
Nach den Anschlägen in Frankreich, Österreich und Afghanistan haben Sie einen »Offenen Brief gegen jeden Islamismus, Antisemitismus und Faschismus« verfasst. Was ist Ihr Argument?
Wir sagen: Bei Islamismus geht es um Geopolitik. Es ist zum Beispiel klar, dass die Türkei islamistische Söldner in Syrien, Libyen und Bergkarabach einsetzt, sie mischt also mittlerweile in mehreren bewaffneten Konflikten mit - und Deutschland tut nichts, außer etwas Symbolpolitik. Die armenische Region Bergkarabach steuert auf einen Genozid zu. Dem muss dringend Einhalt geboten werden.
Islamismus ist ein außenpolitisches Thema, da braucht mir niemand mit irgendwelchen Kindheitstraumata kommen. Natürlich sind Islamisten in soziale Kontexte eingebettet, in denen sie indoktriniert werden. Aber was in der aktuellen Debatte fehlt, ist eine materialistische Analyse.
Wie sähe die aus?
Die würde fragen: Warum gibt es denn Islamismus? Den gibt es aufgrund sozialer Missstände und auch weil reiche Menschen und Staaten den Islamismus seit Jahrzehnten in einem Stellvertreterkampf nutzen, sei es in Afghanistan, sei es im Irak. Aber statt das anzuerkennen, stellt sich ein Kevin Kühnert von der SPD hin und sagt, Islamismus gäbe es, weil Linke sich nicht damit auseinandersetzten. Dabei haben gerade SPD und CDU mehr als vier Jahrzehnte lang eine fahrlässige Außenpolitik betrieben, die dem internationalen Islamismus überhaupt Raum gegeben hat. Das ist heuchlerisch!
Sie haben den Brief als Frauen und Queers verfasst. Wieso?
Ich bezweifle gar nicht, dass es Muslimas gibt, die souverän leben. Aber genauso wenig kann ich ausblenden, dass patriarchale Unterdrückung sehr oft religiös begründet wird. Sowohl im Nahen Osten als auch hier sind die Opfer des Islamismus besonders häufig Frauen und Queers. Islamismus ist ein Auswuchs des Patriarchats.
Wie sind die Reaktionen auf Ihren Debattenbeitrag?
Es gibt positive, aber auch viele negative. Uns wird vorgeworfen, dass wir »keine richtigen Ausländer« und »privilegierte Akademikerkinder« seien. Entschuldige mal! Mein Vater ist Arbeiter und hat immer gesagt: Wenn du nicht studierst, bin ich umsonst nach Deutschland geflohen. Es gibt eben Linke, die für ihren Antirassismus eine »migrantische Einheit« wollen, für die ist alles andere Spalterei.
Also kritisieren auch Sie Linke?
Ja, aber anders als Kevin Kühnert bin ich wirklich links. Meine Kritik richtet sich an diejenigen, die denken, dass eine Person nur Täter oder Opfer sein kann. Klar müssen Menschen, die Rassismus erfahren, verteidigt werden, aber eben nicht um jeden Preis. Wenn dieselben Leute ihre Frau schlagen oder die rechtsextremen Grauen Wölfe unterstützen, sollte die Solidarität aufhören. Dass angeblich progressive Kreise das nicht einsehen, ist für mich das große Elend in dieser Debatte.
Was raten Sie Linken, die Islamismus verurteilen wollen, ohne Wasser auf die Mühlen von Rassisten zu gießen?
Viele wollen das ja, gehen dann aber Diskussionen darüber ein, was »der Islam« denn nun sei. Denen sage ich: Ihr müsst nicht Islamwissenschaft studiert haben, um soziale Missstände und Ungerechtigkeit anzuprangern. Außerdem sollten Linke endlich aufhören, das Ganze als identitätspolitische Debatte darzustellen, der Kampf gegen Islamismus ist ein politischer. Seid solidarisch mit denjenigen, die feministisch und queer sind und einen klaren Klassenstandpunkt vertreten.
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